Bayern 2 - Nachtmix

Neuerscheinungen der Woche Neue Alben von Jungstötter, The National und Kammerflimmer Kollektief

Die Neuheiten der Woche im kompakten Überblick. Neue Platten gibt's von u. a. von The National, Jungstötter, Lonnie Liston Smith, Nabihah Iqbal, Rickie Lee Jones, Kammerflimmer Kollektief, Josh Ritter und Susanne Sundfør.

Von: Roderich Fabian

Stand: 27.04.2023 15:40 Uhr

Jungstötter
One Star | Bild: PIAS Recordings Germany

Josh Ritter - „Spectral Lines“ (Thirty Tigers)     

Nicht alle Songs auf Josh Ritters elftem Studioalbum in 23 Jahren sind so Bubblegum-poppig wie das launige „For your Soul“ . Oft hat der 46-Jährige aus Idaho versucht, sich neu zu erfinden, hat mit elektronischen Effekten herumgespielt und auch viel Weltschmerz und Pathos in seine neuen Songs gelegt, um eben nicht den Eindruck von Banalität zu erwecken. Wobei er sich in der Sorge um die Wirkung seiner Arbeit gar nicht so viel Gedanken machen sollte. Josh Ritter kann Songs schreiben, aber eben nicht solche, die ihn in die Oberliga katapultieren werden: Er ist und bleibt ein solider Mann aus der zweiten Reihe. (6,6 von 10 Punkten)

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Josh Ritter - For Your Soul (Official Music Video) | Bild: Josh Ritter (via YouTube)

Josh Ritter - For Your Soul (Official Music Video)

The National - „First Two Pages of Frankenstein“ (4AD)    

Der Titel „The first two Pages of Frankenstein“ des neunten Studioalbums der Band erinnert an die Anfänge des Romans von Mary Shelley aus dem Jahr 1816, der als das „Jahr ohne Sommer“ in die Geschichte eingegangen ist. Ein gigantischer Vulkanausbruch in Indonesien hatte dafür gesorgt, dass die ganze Welt in Aschewolken eingehüllt war und sich die Menschen zum Schutz davor in ihre Häuser und Wohnungen zurückgezogen hatten. Damit bezieht sich Sänger und Bandleader Matt Berninger natürlich auf die Parallelen zur Covid-Pandemie - und aktuell sieht es ja auch bei uns nach einem Jahr ohne Sommer aus.

Musikalisch allerdings enttäuscht mich das neue Album. Trotz oder wegen Gastauftritten von Phoebe Bridgers, Sufjan Stevens und Taylor Swift wirkt das hier alles wahnsinnig gesettelt, selbstgefällig und sentimental. Trotz einiger feiner Songs geht einem das Coldplay-hafte Pathos des Albums ein bisschen auf die Nerven. (6,3 von 10 Punkten)

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Eucalyptus | Bild: The National - Topic (via YouTube)

Eucalyptus

Spotlights - „Alchemy for the Dead“ (Ipecac)  

Das Ehepaar Mario und Sarah Quintero bildet das Zentrum dieses Trios aus Pittsburgh, Pennsylvania. Sie machen etwas, was man als Doom Metal bezeichnen könnte, hätten die Spotlights nicht auch noch eine Prise Humor im Gepäck. Dies  ist ihr drittes Album auf dem Label von Faith-No-More-Sänger Mike Patton - und sie passen da sehr gut hin. Irgendwie schwebt auch der Geist eines Lemmy Kilmister über diesem Projekt, das ich allein deswegen schon wärmstens empfehlen kann. (7,8 von 10 Punkten)

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Spotlights "Sunset Burial" (Official Video) | Bild: Ipecac Recordings (via YouTube)

Spotlights "Sunset Burial" (Official Video)

Jungstötter - „One Star“ (PIAS)           

Jungstötter ist der Künstlername des Sängers Fabian Altstötter, der vor zehn Jahren mit der Band Sizarr aus Landau in der Pfalz mal halbwegs bekannt wurde. 2019 zog er von Berlin nach Wien und gründete dort eine Familie mit Anja Plaschg, also known as Soap and Skin. Und die scheint ihn auch musikalisch sehr zu inspirieren. „One Star“ ist nämlich ein sehr entwickeltes Rockalbum geworden, das häufig an die besten Zeiten elaborierten Glams erinnert, also an Bowie, David Sylvian oder Roxy Music. Vielleicht ist‘s auf die Dauer ein wenig anstrengend mit dem Existenzialismus, aber die Songs hier sind insgesamt höchst dringlich. (8,5 von 10 Punkten)

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Jungstötter - Know (Official Video) | Bild: Jungstötter (via YouTube)

Jungstötter - Know (Official Video)

Susanne Sundför - „Blómi“ (Bella Union)     

Susanne Sundför ist in ihrer norwegischen Heimat ein Star. Den Status hat sie sich mit recht konventionellen Popsongs erspielt, die meist auf Piano-Basis gekocht werden. Aber „Blómi“ ist ein bisschen anders. Gemäß dem altnordischen Wort für „Blüten“ feiert Susanne Sundför das Positive im Leben. Am Anfang des Albums steht ein esoterisch angehauchter Sprechtext, wo sie an das Gute erinnert, das wir nicht aus den Augen verlieren sollten. Dann singt sie in verschiedenen Sprachen darüber. Dagegen ist nichts zu sagen, käme das Album nicht zuweilen ein bisschen missionarisch daher. (6,9 von 10 Punkten)

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Susanne Sundfør - 'alyosha' (Official Music Video) | Bild: Susanne Sundfør (via YouTube)

Susanne Sundfør - 'alyosha' (Official Music Video)

Nabihah Iqbal - „Dreamer“ (Ninja Tune)   

Sie spricht auf ihrem zweiten Album eher als sie singt. Oft gehen ihre Texte in einem Meer elektronischer Klänge unter. Die 34-jährige Künstlerin ist eher an der Schaffung von Atmosphären als an Pop interessiert. Tatsächlich wird die ehemalige Kollaborateurin der vor zwei Jahren verstorbenen  Klangkünstlerin Sophie oft und gern zu Vernissagen und Performances in London  hinzugebeten. Mich haut das Album aber nicht gerade um. Die ganzen unterschwelligen Ambitionen sorgen eher für Kälte und Distanz, aber Nabihah Iqbal schätzt eben auch den Sound der kühlen 80er Avant-Garage. (6 von 10 Punkten)

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Nabihah Iqbal - 'Dreamer' (Official Video) | Bild: Nabihah Iqbal (via YouTube)

Nabihah Iqbal - 'Dreamer' (Official Video)

Rickie Lee Jones - „Pieces of Trasure“ (Warner Bros.)      

Die Amerikanerin wird im nächsten Jahr 70 Jahre alt. Ihren größten Erfolg feierte sie 1979 mit ihrer allerersten Single namens „Chuck E's in Love“. In den folgenden Jahrzehnten hat sie kontinuierlich weitergemacht, um nun endlich ein Album mit Jazzstandards aufzunehmen, wie man das als große Interpretin irgendwann mal macht. Produziert hat wieder Russ Titleman, der schon 1979 dabei war. Enthalten und kompetent eingesungen sind Songs wie „They can’t take that away from me“, „Nature Boy“, „On the sunny Side of the Street“ oder „All the Way“, uraufgeführt 1957 von Frank Sinatra. Keine Ahnung, was Rickie Lee Jones als nächstes macht, aber weitermachen wird sie auf jeden Fall, und live ist sie ein Erlebnis. (7,1 von 10 Punkten)

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Rickie Lee Jones - Just in Time | Bild: Modern Recordings (via YouTube)

Rickie Lee Jones - Just in Time

Lonnie Liston Smith - „JID017“ (Jazz is Dead)      

Der Jazz-Keyboarder Lonnie Liston Smith hatte schon in den Bands von Miles Davis, Roland Kirk und Pharoah Sanders gespielt, bevor er vor 50 Jahren sein erstes Album als Leader herausgegeben hat. Smith war immer ein Verfechter des Funk und hatte keine Mühe mit der Annäherung an R&B oder Hip-Hop. Ein idealer Kandidat also für  Adrien Younge, Ali Shaheed Muhammad und ihr Projekt „Jazz is Dead“, auf dem sie jeweils mit einem Veteranen des Jazz zusammenarbeiten. Das Album Nummer 17 ist dabei eine Art Werkschau seiner diversen Möglichkeiten geworden. (7 von 10 Punkten)

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"Dawn" - Lonnie Liston Smith, Adrian Younge & Ali Shaheed Muhammad | Bild: Jazz Is Dead Official (via YouTube)

"Dawn" - Lonnie Liston Smith, Adrian Younge & Ali Shaheed Muhammad

Kammerflimmer Kollektief - „Schemen“ (Karlrecords) 

Nichts mehr zu beweisen hat diese Karlsruher Band, die jenseits von Rock und Jazz anspruchsvolle Avantgarde-Musik macht. Auf dem neuen Album spielt wieder die Harmonium-Spielerin Heike Aumüller eine Hauptrolle. Auf den Pressefotos ist sie mit einem Danzig-T-Shirt zu sehen. Cooler geht’s nicht, gilt auch - wie immer - für die Musik des Kollektiefs nach fünf Jahren Plattenpause. (8 von 10 Punkten)