Neuerscheinungen der Woche Neue Alben von Element Of Crime, Wednesday und Mudhoney
Die Neuheiten der Woche im kompakten Überblick. Neue Platten gibt's von Element of Crime, Daughter, Mudhoney, Josephine Foster, Wednesday, Brandee Younger, Jana Horn und Thomas Bangalter

Wednesday – Rat Saw God
Ein Album über das Aufwachsen im amerikanischen Hinterland inklusive Schule-Schwänzen, Sex auf der Autorückbank, Alkohol und Drogenexzesse. Was man als gelangweilter Teeanger eben macht. Sängerin Karly Hartzman romantisiert ihre Teenager-Jahre in North Carolina nicht, sondern es geht um viele Fehler, pubertäre Irrungen und Wirrungen. Ihre Grunge und Shoegaze-Songs verzieren Wednesday dabei gerne mit Steelguitar- und Countryelementen. Der Sound spiegelt das Aufwachsen in den ländlichen Südstaaten der 90ziger perfekt wider. Ihre Heimatstadt Asheville liegt wunderschön in den Appalachen. Ein Städtchen mit jungem Flair. Outdoor-Sportler treffen hier auf Craftbeer-Fans und eine lebendige Indie-Szene. Der Sound, das Feeling und die ihre brüchige Stimme erinnern mich stark an Big Thief mit ihrer Sängerin Adrienne Lenker. Hartzman erzählt neben den Coming-Of-Age-Geschichten auch skurrile Anekdoten aus dem Leben kleiner Leute. Ich mag ihre Einstellung: Jedes Leben ist eine Geschichte wert. Die Texte und Figuren sind so bildhaft und literarisch, dass sie mich an die Comics eines Jeffrey Lewis erinnern. Schräg, aber einfühlsam. (8,5 von 10 Punkten)
YouTube-Vorschau - es werden keine Daten von YouTube geladen.

Wednesday - TV in the Gas Pump (Official Video)
Josephine Foster – Domestic Sphere
Fosters experimentelle Gitarren-Musik klingt wie das Heulen in einem Spukhaus. Haunted House heißt auch ein Song auf dem neuen Album. Trotz der düsteren Tonalität hat ihre Musik durch den sirenenhaften Gesang etwas magisch Anziehendes. Die minimalistischen Gitarrenlicks verschleiert sie mit diversen Fieldrecordings – Vogelgezwitscher, zirpende Grillen, knarzende Holzdielen, aber auch mit alten Aufnahmen ihrer ihrer Großmutter. Das ergibt das unbestimmbare Hintergrundrauschen ihres Lebens als Musiknomadin. Ich muss dem Pressetext rechtgeben, der es wie folgt formuliert: „Das Anhören der Platte ist eine transzendente Erfahrung. Josephine Foster ist eine Séance durch ihren Gesang.“ Ja, Domestic Sphere zieht uns in seinen Bann. Dieses Album ist ein Schauermärchen, ein flüchtiger Traum, das Flackern einer Laterne, das vom Dunkel verschluckt wird. So minimalistisch und gleichzeitig voller Bilder. Sehr exzentrisch und einmalig. (7,8 von 10 Punkten)
YouTube-Vorschau - es werden keine Daten von YouTube geladen.

Josephine Foster - Haunted House (Official Video)
Element Of Crime – Morgens um 4
Sven Regener und seine Band überraschen nicht und liefern den Fans altbekannten Sound. Stilvoller Poprock, nicht zu aufdringlich. So kennt man Element Of Crime. Calexico schwingen mit, besonders, wenn Sven Regner wieder zu seinen Mariachi-Trompeten-Soli anhebt. Dazu auch mal Slidegitarre, Orgel und Mundharmonika. Country und Westen klingen zwar an, aber immer nur kurz. Dann schunkelt in die trockene Wüstenstimmung ein Seemannsakkordeon und holt uns ins nordische Deutschland zurück. Wie im Song “Was mein ist, ist auch dein.” In dem Song gibt es auch Schlagermomente, was Sven Regener durchaus bewusst ist. In den Texten sinniert er über die Liebe, den Verlust und das Leben. Er stellt uns skurrile Figuren vor. „Morgens um 4“ - wir haben seine Romanfigur Herr Lehmann wieder direkt vor Augen. Die rauch- und alkoholgeschwängerten Tresen-Geschichten zeigen, wie Sven Regener das große Drama des Lebens immer noch in schräge Alltagsbeobachtungen einfangen kann. Zugegeben: Lakonie und Poesie waren schon eindrücklicher. Aber auch wenn die Bilder und Erinnerungen nach so einer langen Nacht am Tresen mal unscharf sein mögen, wie etwa in der Single „Unscharf mit Katze“ - vergessen tun wir diese Momente nicht. Dafür brennen sich die Songs und Slogans von Element Of Crime wieder zu sehr ein – wie eine ausgedrückte Kippe auf dem Tresenholz der Hafenbar. Wir freuen uns jetzt schon, wenn Element Of Crime das neue Album beim Bayern2 Studioclub live im Münchner Funkahaus präsentieren. Am 13. April ist soweit. Sie hören das Konzert dann auch live ab 20 Uhr auf Bayern2. (7 von 10 Punkten)
YouTube-Vorschau - es werden keine Daten von YouTube geladen.

Morgens um vier
Daughter – Stereo Mind Game
Das dritte Album der britischen Band Daughter. Dafür haben sie sich sieben Jahre Zeit gelassen. Das Trio hatte tatsächlich längere Zeit gar keinen Kontakt miteinander. Sie widmeten sich Soloprojekten – wie Sängerin Elena Tonra mit ihrem Alias: Ex:Re. Jetzt sind Daughter genauso gut zurück wie vor sieben Jahren.Typisch für die Band klingt die Musik anfangs sehr düster und melancholisch. Ihr Indie- und Shoegazepop wird dabei immer getragen von der gehauchten Stimme Tonras. Zart gebettet auf Synthesizern und einem Londoner Streichensemble. Dazu Gitarren oder auch mal ein New-Wave-Bass. Inhaltlich handelt es erstmal wieder von psychischen Ausnahmesituationen. Von der Sehnsucht und vom Voneinander-Getrennt-Sein. Räumlich und emotional wie in einer Fernbeziehung oder durch die Corona-Isolation. Neu ist: Daughter singen nun auch vom Überwinden dieser Sehnsucht und vom Finden neuer Nähe. Das hört man in “Future Lover” oder in Swim Back. Hier singt Tonra: "I'd just need to erase distance“. Besonders imposant sind die Songs, wenn sie sich kathartisch und dramatisch aufbauen – mit Bläsern, Streichern, Chor und Synthies..Sieben Jahre Warten haben sich gelohnt. (7,5 von 10 Punkten)
YouTube-Vorschau - es werden keine Daten von YouTube geladen.

Daughter - Party (Official Video)
Mudhoney – Plastic Eternity
Dieses Jahr feiert sowohl das berühmte Label Sub Pop aus Seattle als auch die Band Mudhoney 35. Geburtstag. Beides gehört ja auch zusammen. Vor 35 Jahren spülte die erste Mudhoney Platte dem Label ein finanzielles Polster in die Kassen. Mit dem Geld konnten dann andere Platten wie etwa von Nirvana finanziert werden. Auch im 35. Bandjahr haben Mudhoney den Spaß an ihrer Band nicht verloren. Das spüren wir in Songs wie Almost Everything. Bester Garage Psychrock. Mudhoney haben ihr neues Album „Plastic Eternity schon 2020 aufgenommen. In neun Tagen im Tonstudio in Seattle - inmitten der frühen Pandemiephase. Während Bassist Guy Maddison als Krankenpfleger immer wieder im Einsatz war und parallel in seinem Podcast „Emergency Room“ über die Covid Entwicklungen berichtete. Diese intensive Zeit hat sich im Sound und in den Texten niedergeschlagen. Sänger Mark Arm lässt sich vor allem über die die Hirnverbranntheit im Jahr 2020 aus. Er fordert wenig sophisticated: Flush The Fascists – spült die Faschisten die Toilette hinunter. Er fabuliert von der ganzen Scheiße, die mit Covid und Corona-Leugnern wie ein Wasserfall losbrach. Später stellt er im Song “Human Stock Capital” die neoliberalen Sprach- und Denkmuster im Gesundheitswesen an den Pranger, wo gern mal vom Humankapital gesprochen wird. Mudhoney warnen: Wenn du erstmal Human-Kapital bist, dann bearbeiten und saugen sie dich so lange aus, bis sie dich wieder wegwerfen. „Du bist vielleicht nichts Besonderes, aber du bist unverzichtbar“. Ein Mensch. Mudhoney rocken, singen auch mal kindisch über kleine Hündchen, treten dem Establishment und den Eliten immer noch gehörig in den Allerwertesten. (8,5 von 10 Punkten)
YouTube-Vorschau - es werden keine Daten von YouTube geladen.

Mudhoney - Little Dogs (Official Video)
Brandee Younger – Brand New Life
Zur Beruhigung etwas musikalischer Balsam nach den verzerrten Gitarren und der Fäkalsprache von Mudhoney. Die afroamerikanische Jazz-Harfinistin Brandee Younger verneigt sich mit ihrem neuen Album vor Dorothy Ashby - ihrem großen Vorbild. Dorothy Ashby brachte ab den späten 50ziger Jahren die Harfe als Instrument in den Modern Jazz. Sie war eine Pionierin. Brandee Younger interpretiert Ashbys Kompositionen jetzt neu. Haucht ihnen schon mit dem Albumtitel: „Brand New Life“ neues Leben ein. Zusammen mit spannenden Gastmusikern: Mit dem Eastcoast-HipHop Produzenten Pete Rock oder an anderer Stelle mit Jazz-Schlagzeuger Makaya McCraven. Neben die Neuinterpreationen der Ashby Songs stellt sie aber auch schöne Eigenkompositionen an der Harfe. (7,5 von 10 Punkten)
YouTube-Vorschau - es werden keine Daten von YouTube geladen.

Brandee Younger - Brand New Life (Lyric Video) ft. Mumu Fresh
Jana Horn – The Window Is The Dream
Die leicht gebrochene Stimme von Jana Horn. Schräge ruhige Gitarren-Tunes zu feinem Slackervibe. Das verleiht ihrem zweiten Album besonderen Charme. Dieser reduzierte Folksound der Texanerin bietet besondere Momente in jedem einzelnen Song. (8 von 10 Punkten)
YouTube-Vorschau - es werden keine Daten von YouTube geladen.
![Jana Horn "The Dream" [Official Audio] | Bild: NoQuarterRecords (via YouTube) Jana Horn "The Dream" [Official Audio] | Bild: NoQuarterRecords (via YouTube)](/radio/bayern2/sendungen/nachtmix/musik-von-morgen/youtube-import-image-20632~_v-img__16__9__l_-1dc0e8f74459dd04c91a0d45af4972b9069f1135.jpg?version=a4dfc)
Jana Horn "The Dream" [Official Audio]
Thomas Bangalter – Mythologies
Früher eine Hälfte des berühmten Duos Daft Punk. Morgen erscheint sein Solo-Album „Mythologies“. Darauf gibt’s keine funky French-House-Hits, sondern Orchester- und Ballettmusik. Für Mythologies arbeitete das Universal-Genie Bangalter als klassischer Komponist mit dem Nationalorchester Bordeux zusammen. Der Titel „Mythologies“ verweist schon auf das Thema des Doppel-Albums. Bangalter widmet sich der griechischen Sagenwelt. Mit Kompositionen über Aphrodite, den Minotauren oder Zeus. (7,8 von 10 Punkten)
YouTube-Vorschau - es werden keine Daten von YouTube geladen.

Mythologies: XIII. Le Minotaure