Bayern 2 - Land und Leute


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Der Mittagstraumbildner Wilhelm Jensen und Sigmund Freud

Wilhelm Jensen war einmal ein Bestseller-Autor. Heute ist er fast vergessen. Nicht vergessen ist seine Novelle "Gradiva", denn Sigmund Freud nutzte das "Phantasiestück" für seine Traumlehre. Jensen widersprach, Freud war beleidigt. Und Psychoanalytiker hängen noch immer gern ein Bild der "Gradiva" in ihre Praxis.

Author: Henrike Leonhardt

Published at: 15-1-2012 | Archiv

Wilhelm Jensen und Sigmund Freud | Bild: picture-alliance/dpa; Urheber unbekannt (aus dem Jahr 1896)

Man hat Wilhelm Jensen (1837 in Schleswig-Holstein geboren, 1911 in München gestorben) oft seine „Vielschreiberei“ vorgeworfen. Acht Druckseiten täglich, rund 150 Werke in seinem Leben - viele Bestseller dabei. Er habe eben, konterte Jensen, genug zu sagen, - anders als manche der Kollegen. Wie er das wohl schaffte und obendrein ein geselliges Leben führte? Der Dichter konnte abdriften in seine vielschichtigen, schmerzvollen Erinnerungswelten und in die alte Historie, tagträumen und wieder auftauchen; da sein für die Familie, für die intensiven Lebensfreundschaften. Storm, Raabe, Heyse, der Maler Egon Lugo waren Freunde des Dichters und verehrten seine schöne und kluge Frau Marie, die Malerin…

Freud kam nicht ...

Sigmund Freud

Auch den Psychoanalytiker Sigmund Freud hatten Jensen und Frau (1907) herzlich eingeladen, in ihr „Landhäuschen“ in St. Salvator bei Prien, um einige Fragen weitgehend zu beantworten. Aber Freud kam nicht. Was der Dichter an Kindheitserinnerungen offenbarte, entsprach durchaus nicht Freuds Analyse-Ergebnissen der Jensen-Novelle „Gradiva“, mit denen er nachweisen wollte, „daß erdichtete Träume dieselben Deutungen zulassen wie reale“. Enttäuscht, beleidigt und beleidigend verbreitete Sigmund Freud, Jensen habe „seine Mitwirkung versagt“. Den kümmerte das wenig - er hatte zu tun.

Henrike Leonhardt geht dem Leben und Schreiben des heute fast vergessenen Schriftstellers nach.


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