Bayern 2 - Land und Leute


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Die Sprachputzer Wenn Fremdwörter zu Feinden der Nation werden

Rettet den Genitiv! Rettet den Konjunktiv! Meidet verschleiernde "Unwörter"! Sprachkritik - schön und gut. Was aber ist von Sprachkritikern zu halten, die Fremdwörter zu Feinden der Nation erklären? - Henrike Leonhardt hat sich auf die Suche begeben - nach "nationalgeputzten" Wörtern in deutschtümelnden Zeiten.

Von: Henrike Leonhardt

Stand: 03.10.2017 | Archiv

"Denglisch"-Verbotsschild | Bild: picture-alliance/dpa-Zentralbild/Hendrik Schmidt

Die Sprachkritik boomt, entsprechende Veranstaltungen füllen Mehrzweckhallen. Kommerzielle Unterhaltung halbwegs gebildeter Besserwisser? Geht es um Aufklärung? Will man Identität schaffen - national identity? Oder ein ästhetisches Wir-Gefühl?

Die "Überwucherung" der deutschen Sprache durch Anglizismen

Der "Service Point" der Deutschen Bahn

Heutzutage ist es das "Denglisch", das von manchen kritisiert wird ("ich loade down"), und die "Überwucherung" der deutschen Sprache durch Anglizismen in Folge der Globalisierung. Weil die Deutsche Bahn sich von der englischen Benennung zentraler Bahnhofspunkte nicht abbringen ließ und reisende alte Mütterchen angeblich den so genannten "Info-Point" nicht finden konnten, um dort am "Counter" den schnellsten Weg zu "McClean" zu erfragen, hatte der "Verein deutsche Sprache" (VDS) - mit seinen nach eigenen Angaben derzeit weltweit 36.000 sprachwachenden Mitgliedern - dem damaligen Bahn-Chef Mehdorn den Schmähtitel "Sprachpanscher 2007" verpasst. Mit Erfolg! Vier Jahre später wurden die "Service Points" umbenannt in "DB Information".

"Klapprechner" statt "Laptop"

"Kaffee zum Wegtragen" statt "Coffee to go"

Zwei Jahre später kam der Deutsche Turner-Bund in den Genuss dieser zweifelhaften Auszeichung - und zwar für "das gedankenlose Übernehmen" englischer Begriffe wie "Slacklining" oder "Speedjumping". 2013 schließlich traf der sprachkritische Bannstrahl die altehrwürdige Institution des Duden: Wer als Ersatz für "Fußball" den lächerlichen Angeber-Anglizismus "Soccer" vorschlage, hieß es, während "Nachsteller" für "Stalker" und "Klapprechner" für "Laptop" gar nicht erst erwähnt würden, habe es nicht anders verdient.

"Die Gewalt einer Sprache ist nicht, daß sie sie das Fremde abweist, sondern daß sie es verschlingt."

(Johann Wolfgang von Goethe)

Bedenklich wird es, wenn das Fremdwort zum Feind erklärt wird

Sprachreiniger hat es immer gegeben - bedenklich wird es, wenn sie das Fremdwort zum Feind erklären, wie in der deutschnationalen Bewegung von 1871 bis zum Ersten Weltkrieg. So wurde gefordert, den "Englischen Garten" künftig "Deutschen Garten" zu nennen. 1914 kam es zur Mobilmachung an der gesamten Sprachfront. Sogar die biedere Zeitschrift "Münchner Hausfrau" rüstete auf und forderte die Befreiung vom Joch des fremdländischen Kults: "Deutsch werden wir künftig reden in des Wortes wörtlicher und übertragener Bedeutung, und Deutsch muss lernen, wer uns verstehen will."

"SA unserer Muttersprache"

Alle Hoffnungen richteten die Sprachreiniger nach dem verlorenen Krieg auf das kommende "Dritte Reich" ... Der "Sprachverein" wollte sich darin als "SA unserer Muttersprache" sehen, Schutzabteilung Muttersprache. Ein Beispiel dafür, wie blind willfähriger Übereifer macht. Freilich warfen der Führer und sein Werbeminister recht wahllos mit fremden Wörtern um sich:
"Organisation, Propaganda, Garant, avisieren, arisieren, sterilisieren ..."
Wahllos? Der Fremdwortgebrauch war auch hier ein sehr bewusst eingesetztes Herrschaftsmittel zur Verschleierung und Schönfärberei.
Hat der Sprachverein, dem viele jüdische Mitglieder angehört hatten, diese Absichten wirklich nicht erkannt? Zu was das Regime fähig war, wusste er sehr genau:
"Sonst weiß die nationalistische Bewegung rascher und gründlicher Schäden in Volk und Staat abzustellen, Volksschädlinge zu beseitigen ..."


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