Bayern 2 - Land und Leute


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Schmellers Tagebücher Johann Andreas Schmellers Jugend

Er war ein armer Korbmacherssohn und ist ein berühmter bayerischer "Wortklauber" geworden: Johann Andreas Schmeller. Er hat immer Tagebuch geführt - auch schon in seiner Jugend, in der er auf Gönner, Almosen und Freitische angewiesen war. Henrike Leonhardt blättert in einem höchst anschaulichen Zeitdokument ...

Von: Henrike Leonhardt

Stand: 25.12.2015 | Archiv

"Schon in meinem elften Jahre war ich Schullehrer einer Gemeinde, bei diesem Amte musste ich schon ... eine Miene von Allwißenheit affektiren, die mich von allem Umgang mit Meinesgleichen entfernte."

(Johann Andreas Schmeller)

Kindheit in Rimberg bei Pfaffenhofen

Ein helles aber kompliziertes Bürschlein, der kleine Schmeller (geboren 1785 in Tirschenreuth in der Oberpfalz), den wir als den großen Sprachforscher kennen und als Verfasser des "Bairischen Wörterbuchs". Als verlässlicher, vorurteilsfreier, kritischer und selbstkritischer Zeitzeuge hat er von seinem 16. Geburtstag an zeitlebens Tagebuch geführt, hat darin auch seine Jugenderlebnisse festgehalten und die Erinnerungen an die karge aber behütete Kindheit in Rimberg bei Pfaffenhofen. Das Lesen, Schreiben, Rechnen hatte ihm - ungewöhnlich genug - der Vater beigebracht, ein einfacher Korbflechter.

Johann Andreas Schmeller

"Bei diesem Schwung meines Charakters war es kein Wunder, daß ich alles aufbot, was auch nur immer meine Eltern veranlassen konnte ... mich studieren zu laßen ... (...) - Dieß war doch von jeher meine Leidenschaft, die Haupttriebfeder der bisherigen Reihe meiner Handlungen - Geitz nach dem Lobe andrer ... Als ich noch als Knabe in jenen glücklichen nie wieder­kehrenden Tagen bei meiner Gänseherde saß, schweiften meine Einbildungen schon zu dem erhabenen Bilde, am Osterabend vor der ganzen Gemeinde das Dixit Dominus mit dem Herrn Pfarrer zu singen."

(Johann Andreas Schmeller)

Wieder zurück ins Chaos ...

Das Seminar des Klosters Scheyern nahm ihn auf, musste aber bald wegen der anrückenden Franzosen schließen. Als auch das dann besuchte Ingolstädter Gymnasium dicht machte, sah er sich verzweifelt "ins Chaos wieder zurück" sinken. Schließlich kam er im Jahre 1801 in das heutige Wilhelmsgymnasium in München ... Im selben Jahr hat er die erste philosophische Klasse des Lyzeums abgeschlossen, hat als sogenannter "Logiker" Algebra, Mineralogie, Metallurgie und technische Chemie, Metaphysik, praktische Philosophie, Geometrie und Trigometrie gelernt bzw. gehört. Darauf steigt er in die "Physik"-Klasse auf. Im Tagebuch aber kommt die Schule nur beiläufig vor. Die fetzenweise Ansammlung von Wissen ödet ihn an. Der aufgeweckte Rimberger Bub driftet immer mehr ab. 52 "Studenten" in seinem Jahrgang, die Enge, der Geruch nach nassem Loden ...

"Ich legte mein Gesicht auf meinen Arm, kritzelte mechanisch Figuren auf ein Papier, und hörte ... nichts mehr von aller Weisheit, die aus des [Lehrers] Munde floss ... [Er] fragte mich, ob ich etwa auf dem Bal gewesen sei. Alle Schüler lachten. Ich schwieg."

(Johann Andreas Schmeller)

Angewiesensein auf Gönner, Almosen und Freitische

Henrike Leonhardt blättert in Schmellers Tagebüchern, die von seinem mühsamen Bildungsweg berichten und von dem schmerzhaften Angewiesensein auf Gönner, Almosen, Freitische, aber auch von prägenden Bildungserlebnissen, von Schwärmereien und Zukunftsphantasien - und von frühen Freundschaften, die den Schwierigen mit durchs schwierige Leben trugen.


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