Bayern 2 - Land und Leute


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Der Pasinger Knödelkrieg Anatomie eines schrägen Konflikts

Ausgangspunkt der Geschichte ist eine simple, wenn auch militant klingende Zeitungsanzeige eines Pasingers im Jahr 1967 - aus Protest gegen Fluglärm. Doch aus der Annonce wird eine Sensation, die um die Welt geht. Vorhang auf!

Stand: 14.10.2012 | Archiv

Werbegrafiker Helmut Winter | Bild: Pasinger Archiv e. V.

Prolog

Pasing im Februar des Jahres 1967: Der Werbegrafiker Helmut Winter sitzt gerade im Büro in seinem kleinen Häuschen an einem größeren Auftrag. Ausgerechnet, als er an einer mit Tusche handgezeichneten Reprovorlage arbeitet, durchbricht ein Kampfflugzeug der Bundeswehr mit lautem Knall die Schallgrenze. Vor lauter Schreck stößt Winter das Tuscheglas um - zwei Wochen Arbeit auf dem Reißbrett sind auf einen Schlag zum Teufel.

Mit welchen Worten der Werbegrafiker anschließend zum Himmel hinauf schimpft, ist nicht bekannt. Fest steht aber, dass er aus Protest eine Anzeige in Auftrag gibt.

"Flugabwehrgeschütz mit ausreichender Munition gesucht zur Wiederherstellung der Ruhe und Ordnung im westlichen Luftraum Münchens, Zuschriften erbeten unter 1/3469 Z."

Winters Anzeige in der Münchner AZ, 3. Februar 1967

Bis auf einige dubiose Herren meldet sich aber keinerlei Waffenhändler. Und auch das Hamburger Magazin "Der Spiegel" erwähnt die Annonce ausschließlich in ihrer "Hohlspiegel" genannten Kuriositätenecke. Eigentlich könnte die an sich schon schräg klingende Geschichte damit auch zu Ende sein. Doch weit gefehlt! Aus einem Scherz wird (fast) eine internationale Krise. Lesen Sie das Drama in drei Akten:

Der Pasinger Knödelkrieg in drei Akten

1. Akt

Wenige Tage nach der Anzeige steht bei Winter ein BBC-Korrespondent vor der Tür, der sich brennend für die angekündigten "Abschüsse von Düsenjägern" interessiert. Tags darauf kreuzt ein amerikanisches Filmteam auf. Immer mehr Reporter und "Kriegsberichterstatter" aus aller Welt folgen, Winter steht im Mittelpunkt einer hysterischen Pressemeute.

Intermezzo

Als dann auch noch die Polizei und der Pullacher BND um das Haus schleichen, ist klar: Er hat die Ironiekompetenz seiner Landsleute ein wenig überschätzt. Deeskalation scheint angesagt.

2. Akt

Eiligst beruft er seine erste "internationale" Pasinger Pressekonferenz im heimischen Garten ein und präsentiert ein extrem altertümliches Wurfgeschütz, eine so genannte Balliste. Der Clou an dem Gerät: ein durch eine Schnur auf Spannung gebrachter Wurfhebel. Offen lässt Winter nur, mit was er schießen will.

2. Intermezzo

Ausgerechnet, als der Pasinger Rebell über die Wahl seiner "Munition" rätselt, steht seine Frau am Herd der heimischen Küche - beim Zubereiten der typisch bayerischen Bratenbeilage. Nur deshalb - und aus reinem Spaß soll sie ihm geantwortet haben: "Nimm die Knödel!"

3. Akt

Aus dem Spaß wird ein Medienhype: Aus aller Herren Länder reisen immer noch mehr Reporter an, um über jenen merkwürdigen, gleichwohl charmanten bayerischen Schnurrbartträger zu berichten, der es angeblich wagt, mit mäßig flugfähigen Kartoffelteigkugeln gegen die Überschall-Wunder der Rüstungsindustrie zu kämpfen. Die Luftwaffe ist um Deeskalation bemüht.

Epilog

Noch im Jahr 1967 erfährt Winter eine ganz besondere Auszeichnung. Vom langjährigen Leiter des Münchner Karl-Valentin-Musäums Hannes König wird er mit dem allerersten jemals überreichten Karl-Valentin-Orden für "den schönsten Blödsinn des Jahres" ausgezeichnet.


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