Bayern 2 - Land und Leute


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Otto Kuen "Do taat a dar a stinka"

Wer des baierischen Idioms mächtig ist, weiß, dass es sich nicht nur für das Derbe, sondern auch und besonders für das Feine, ja, für das Poetische - wenn nicht gar Dadaistische - bestens eignet. Renate Eichmeier erinnert an einen Münchner Chansonnier und Lautkünstler, der eine Weile in Vergessenheit geriet, aber gerade wiederentdeckt wird.

Von: Renate Eichmeier

Stand: 07.06.2015 | Archiv

Otto Kuen | Bild: Anjo Kuen (Familienarchiv)

Anfang der 30er Jahre gründete er als junger Lehramtsstudent eine Band und brachte mit Freunden bayerische Lieder unters Volk - erst als Übersetzungen von amerikanischen Songs, dann komponierte er selber, dreistimmig, und dichtete dazu. Otto Kuen, in München aufgewachsen, sprachlich und musikalisch außerordentlich begabt, schenkte der bayerischen Sprache wunderbare Texte und dem bayerischen Gemüt eine poetische Ausdrucksweise. So etwa erzählt "Do taat a dar a stinka" von Weltschmerz und Liebeskummer an der Isar, und die "Giesinger Mond-Serenade" von einer unruhigen Nacht voller Musik in den mondhellen Straßen Münchens.

"Überm Giesinger Berg
scheint der Mond a so schee
und da stenga ma
und da singa ma in der Nacht!
Entschuldigen, die Herrschaften,
dass ma jetzat no da steh,
wos so spat is,
dass ma de Ladn scho zuamacht ..."

(Giesinger Mond-Serenade)

"Zwirbeldirn"

Die Musikerinnen der Gruppe "Zwirbeldirn" spielen in der Münchner S-Bahn

"Ich heiße Evi Keglmeier. Ich spiele Geige und Bratsche in der Gruppe Zwirbeldirn. Ich wohne in Giesing, habe fast Blick auf den Giesinger Berg. Und Zwirbeldirn - ja, wir sind immer so ein bisschen im Zwiespalt, was man sagen soll. Wir sagen es immer kurz: Wir machen Musik, weil Volksmusik, das ist so ein weites Feld … Aufn Otto Kuen samma kemma übern Arthur Loibl. Das war ein Münchner Musiker, ein ganz hervorragender Gitarrist. Der hat uns gekannt und ist irgendwann mit einem Packen Noten zu uns gekommen und hat gesagt, ich hätt da ein paar Lieder für euch. Die wären für euch zum Spielen. Wann war das? Anfang 2009 oder früher schon eigentlich, ungefähr da, wo wir uns gegründet haben 2007/8 genau. Und Anfang 2009 hamma uns mal die 'Giesinger Mond-Serenade' vorgenommen."

"Es liegts vielleicht im Bett scho drin
und hörts uns spuin!
Geh, so friah schlaft ma doch net,
sonst kriagts Bett Duin!
Linsts halt a wengerl raus!
Lusts halt a wengerl raus!
Schaugts wia da Mond lacht,
weil ma eam heut no a Musi macht,
mittn in der Nacht!"

(Giesinger Mond-Serenade)

Schnappschüsse der "Weißblauen Drehorgler"

Sie selbst verstanden sich als unpolitisch

Die "Drehorgler" Im Senderaum I des Münchner Funkhauses

Kuen und seine Freunde nannten sich die "Weißblaue Drehorgel", traten ab 1933 regelmäßig im Bayerischen Rundfunk auf, der zu dieser Zeit "Reichssender München" hieß, und wurden offiziell als "BluBo" eingestuft, als NS-konforme "Blut und Boden“-Liedermacher. Sie selbst verstanden sich als unpolitisch und genossen ihren wachsenden Erfolg - bis ab 1938 der politische Druck zunahm und Kuen seine Band auflöste. Militär, Psychiatrie, Krieg und Gefangenschaft folgten. Nach dem Zweiten Weltkrieg nahm Kuen seine Arbeit beim Rundfunk wieder auf, schrieb, komponierte, dichtete und übersetzte u.a. Homers "Odyssee" ins Bayerische. Heute kennt kaum noch jemand seinen Namen. Seine Lieder aber feiern ein ungeahntes Comeback. - Die jungen Musikerinnen vom Ensemble "Zwirbeldirn" aus München interpretieren sie voller Lust und Hingabe - von Bayern über Berlin bis in die Schweiz.


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