Bayern 2 - Land und Leute


19

Mam, Mama, Mom Mutationen eines Rollenbildes

Eine der zeitlosen Wahrheiten, die Heinrich Lübke unnachahmlich treffend auf den Punkt brachte, lautet: "Jeder von uns hat eine Mutter!" Und weil dem so ist, zieht uns das Ewig-Weibliche" hinan", wie es in Goethes "Faust" heißt. Faust wiederum muss auch "zu den Müttern" hinabsteigen. Thomas Kernert widmet sich dem Auf und Ab in der Wertschätzung der Mutterschaft auf seine Weise.

Von: Thomas Kernert

Stand: 10.05.2015 | Archiv

Mutter mit Baby telefoniert und arbeitet am Computer | Bild: picture-alliance/dpa

Was genau eine Frau ist, weiß nur der liebe Gott. Deshalb ist es auch nicht ganz einfach, den Begriff "Mutter" umfassend zu definieren. Ist Mutter-Sein ein essentieller Seinszustand oder nur eine Eigenschaft, ein irreversibles Schicksal oder eine Rolle?

"Wohl ihr, wenn sie daran sich gewöhnt, dass kein Weg ihr zu sauer
Wird, und die Stunden der Nacht ihr sind wie die Stunden des Tages,
Dass ihr niemals die Arbeit zu klein und die Nadel zu fein dünkt,
Dass sie sich ganz vergisst und leben mag nur in andern!
Denn als Mutter, fürwahr, bedarf sie der Tugenden alle,
Wenn der Säugling die Krankende weckt und Nahrung begehret
Von der Schwachen, und so zu Schmerzen Sorgen sich häufen.
Zwanzig Männer verbunden ertrügen nicht diese Beschwerde,
Und sie sollen es nicht; doch sollen sie dankbar es einsehn."

(Johann Wolfgang von Goethe)

Gut möglich, dass sich höhere Frankfurter oder Weimarer Töchter von diesem geschmeidigen Parlando einst bezirzen ließen, einer urwüchsigen bayerischen Landfrau war mit derartigen Blumensträußen eher nicht beizukommen. Letztere verstand sich nicht nur auf alle im Haus und in der Landwirtschaft anfallenden Arbeiten, sondern ebenso auf die schmerzintensive Handhabung ihres Kochlöffels oder ihrer Nudelwalze, falls es darum ging, einem allzu lobhudelnden Ehemann die Drückeberger-Allüren abzugewöhnen.

Die "Patrona Bavariae"

Die "Patrona Bavariae" auf dem Münchner Marienplatz

Fest steht: In Bayern ist Mutter-Sein in jedem Fall auch und vor allem eine Herausforderung. Warum? Da ist 1. das große Vorbild, die "Patrona Bavariae", die Gottesmutter. Ihr gleichzukommen, übersteigt irdische Kräfte. Da ist 2. das bayerische Patriarchat: Auch wenn viele bayerische Männer zu Hause Muttersöhnchen sind, Bayern ist und bleibt ein sehr maskulines Gebilde. Und da ist 3. die bairische Muttersprache, eines der komplexesten Kommunikationssysteme der Welt. Sie zu bewahren und weiterzugeben, erfordert Fleiß, Geduld und Selbstverleugnung.

Mutter und Managerin in einer Person

Ursula von der Leyen | Bild: picture-alliance/dpa

Ursula von der Leyen: Verteidigungsministerin und Mutter einer siebenköpfigen Kinderschar

Kein Wunder, dass mit der Emanzipation und der sogenannten "Öffnung des Familienbegriffs" viele Frauen die Gelegenheit ergriffen, sich der "Herausforderung Mutter" entweder zu entziehen oder aber nach neuen Mutterrollen zu suchen. Das Dogma von der Vereinbarkeit von Kind und Beruf erleichtert diese Suche. Mütter müssen heute nicht mehr Gottesmütter sein, sie dürfen nebenher auch Managerin oder Wirtschaftsministerin sein. Ob die bairische Sprache dies überlebt, bleibt freilich abzuwarten …

Kinderlos und doch glücklich?

Sonntagsfrühstück im Bett

Bleibt die Frage: Und was machen währenddessen unsere hedonistischen Totalverweigerinnen, deren Entscheidungen gegen ein Kind der Entscheidung für ein Kind erst die nötige Glaubwürdigkeit verleihen? Keine Frage: Während die Powerfrauen groteske Spagatübungen zwischen Beruf und Familie absolvieren, frühstücken sie am Sonntagmorgen im Bett und treffen sich am Montagabend mit Gleichaltrigen zu Aktivitäten, die Erwachsenen und nur Erwachsenen Spaß machen. - In ihrer Freizeit können sie entspannen, lesen, Urdu oder Schlagzeug lernen, sie können Lachyoga-Kurse belegen, ihre Körper und Frisuren trimmen oder sich in einer Fußballdamenmannschaft aus Regensburg oder Gilching-Argelsried die Knochen brechen lassen.

Experimentierfreudige Vaterschaftsbefürworter gesucht!

Sie könnten sich aber auch ganz spontan und ohne die akrobatischen Verrenkungen der Powermütter zu einem ganz spontanen, von allen Beweiszwängen befreiten, gleichwohl geliebten Kind entscheiden. Wer wollte sie daran hindern? Wer könnte diesen anspruchsvollen Rebellinnen dieses anspruchsvolle rebellische Vergnügen verwehren? Voraussetzung ist im Zweifelsfall lediglich die Existenz eines nicht minder spontanen und experimentierfreudigen Vaterschaftsbefürworters, der im Fall der Fälle keine Probleme damit hätte, seiner Vaterschaft auch bei Tageslicht nachzukommen.


19