Bayern 2 - Land und Leute


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Marie von Preußens Steg Die Marienbrücke über der Pöllatschlucht

In 90 Metern Höhe schwingt sich die Marienbrücke dramatisch über die Pöllatschlucht im südöstlichen Allgäu. Sie eröffnet einen wahrlich pompösen Blick auf Schloss Neuschwanstein, das weltberühmte Kitschzentrum Bayerns. Massen von Touristen drängen sich Tag für Tag auf diesem schmalen Nichts zwischen Himmel und Abgrund, auf der Jagd nach Erinnerungsfotos. Thomas Kernert schildert Beobachtungen und Gedanken, die er von einem Besuch auf dem 150 Jahre alten Bauwerk mitgebracht hat.

Von: Thomas Kernert

Stand: 05.10.2014 | Archiv

Die Marienbrücke über der Pöllatschlucht im Schwangau | Bild: picture-alliance/dpa

Nicht nur die Berliner haben eine "Luftbrücke", sondern auch die Bayern. Letztere schwingt sich in 90 Metern Höhe dramatisch über die Pöllatschlucht und heißt eigentlich "Marienbrücke" (ausnahmsweise nicht nach der Gottesmutter, sondern nach Marie von Preußen, der Frau von König Maximilian II., benannt).

"Also, was mich an der Marie interessiert hat, einerseits natürlich, dass sie als erste Frau in die Berge gegangen ist, sie hat hier fast alle Gipfel bestiegen in unserer Region. Und das andere, was ich wissen wollte: Wie ist das, wenn ich jetzt in einem Lodenkleid und einer Lodenhose in die Berge gehe. Und das hab ich mir genäht und mach dann Wanderungen auf den Spuren von Königin Marie. Die kommt nämlich immer ein wenig zu kurz ... Ich habe es auch oft schon bei 30 Grad Hitze im Sommer getragen, dieses Lodenkleid, und ich schwitz da auch nicht mehr wie in einem T-Shirt."

(Erih-Ingrid Goessler, Kultur- und Stadtführerin von Füssen)

Das Betreten der Brücke erfordert einigen Mut

Traumhafter Blick auf Schloss Neuschwanstein

Zwei Dinge zeichnen die circa 30 Meter lange, extrem filigrane Eisenkonstruktion aus: Zum einen bietet sie einen grandiosen Blick auf Schloss Neuschwanstein, das weltberühmte Kitschzentrum Bayerns, zum anderen erfordert ihr Betreten doch einigen Mut. Vor allem an schönen Sommerwochenenden, wenn halb China, Japan und Amerika auf dem schmalen Nichts zwischen Himmel und Abgrund stehen und alleine schon das Gewicht der nach Norden gerichteten Digitalkameras zu Sorgen Anlass gibt, kommen dem stillen Wanderer Bedenken.

"Da gibt’s eine ganz nette Karikatur von Wanderern: Die gehen so auch in Richtung einer Schlucht. Ein Wanderer am anderen. Und dann sagt der letzte, der kommt: 'Verdammt, alles zugewandert!' Daran muss ich denken, wenn ich auf die Marienbrücke zugehe und die ist wirklich vollgestopft mit Menschen. Und ich wundere mich, warum man da nicht irgendeine Mengenbegrenzung macht. Und ich denk mir da manchmal: Gut, die Japaner, die sind ja leicht. Da können mit Sicherheit hundert Japaner stehen. Aber vielleicht nur 50 Amerikaner ... Andererseits: Die Bauweise dieser Brücke ist so, dass sich diese Stützen rechts und links in den Fels krallen ... Und so denk ich, von der Statik her: Je mehr Menschen darauf stehen, desto mehr krallt sich die Brücke in die Felsen!"

(Erih-Ingrid Goessler, Kultur- und Stadtführerin von Füssen)

Gespenster machen die Gegend unsicher

Immerhin, das Ding ist mittlerweile fast 150 Jahre alt und seine Geländer sogar noch im Original erhalten. Noch gefährlicher freilich könnten die Gespenster der Umgebung sein, jener Geist im weißen Priestergewand etwa, der sich schon vor dem Bau des Schlosses hier herumtrieb. Oder aber der Kini selbst, von dem man ja weiß, dass er Menschenmassen hasste. Was, wenn sein ruheloser Geist an einer der Stahlschrauben Hand anlegt?

"Ja, mystische Orte sind auf jeden Fall überall, wo Wasser fließt und wo eine Schlucht ist ... Und in solchen Regionen entwickeln sich immer Sagen. Das sind Orte, die man nicht gern besucht hat, wo man Angst hatte vor den bösen Geistern, die sich in diesen Schluchten aufgehalten haben. Und für Schwangau gibt’s eben eine Sage, das heißt: Es ging um einen Schützen, der um Beistand gerufen hat, weil er immer ins Schwarze treffen wollte und der hat sich hier in der Schlucht mit dem Teufel verbündet. Der Teufel wollte seine Seele haben. Und sie sind dann übereingekommen, dass er die Seele von ungetauften Kindern bringen sollte. Also: Ungetaufte Kinder dem Teufel bringen, damit er die Seele bekommt und dafür bekommt er dann die Kugeln. Und daraufhin hat er immer ins Schwarze getroffen und musste dann halt immer wieder nachliefern. Eines Tages hat er dann aber keine ungetauften Kinder mehr gefunden und kam dann mit einem kleinen Kind, das schon getauft war, an. Und der Teufel hat sich dann betrogen gefühlt.  Und jetzt ging’s dann darum, dass er seine Seele hergeben musste und das Ganze ging nicht gut aus. Und das ist natürlich auch ein Grund, weshalb man hier in die Schlucht nicht wollte, weil der Teufel da sein Unwesen treibt."

(Erih-Ingrid Goessler, Kultur- und Stadtführerin von Füssen)


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