Bayern 2 - Land und Leute


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Lichter der Großstadt Im hellen Schein des Glühstrumpfs

29. Dezember 1880. Fast alle Plätze im hell erleuchteten, königlich bayerischen Hof- und Nationaltheater in München sind besetzt. Der Geruch von Parfüms und von Gas erfüllt den Raum. Ehrlich gesagt ist die Luft zum Schneiden. Besonders auf der Galerie und den Rängen. Deshalb werden hier statt Gasleuchten bereits drei Jahre später als große Attraktion Edison-Lampen, also Glühbirnen, in den Kronleuchtern brennen.

Von: Justina Schreiber

Stand: 20.12.2015 | Archiv

Historische Gaslaterne | Bild: picture-alliance/dpa

Es gab ganznächtige und halbnächtige Laternen. Manche hatten nur einen Brenner, andere, die an wichtigen Kreuzungen standen, zwei. Die Laternenanzünder – mit langen Stangen, Öllämpchen und Leitern ausgerüstet – zogen von Gasleuchte zu Gasleuchte. Was das idyllische Bild verschweigt: Das aus Steinkohle gewonnene Fluidum, mit dem man seit den 1860er Jahren die bayerischen Städte illuminierte, roch übel und schmutzte. In Innenräumen führten die flackernden Gaslichter wegen ihres hohen Sauerstoffverbrauchs sogar zu gesundheitlichen Problemen. Deshalb machte man zum Beispiel in Augsburg bereits 1882 erste Versuche mit einer elektrischen Straßenbeleuchtung. Woraufhin die Verfechter der Gaslaternen allerdings den wesentlich heller leuchtenden Siemenschen Regenerativ-Gasbrenner ins Feld führten – und damit überzeugten.

Glühstrumpf kontra elektrisches Licht

Carl Auer von Welsbach erfand 1885 den Glühstrumpf

In München dagegen scheiterte die flächendeckende Einführung von elektrischen Bogenlampen zunächst an einem Vertrag, der der „Privaten Münchner Gasgesellschaft“ bis 1899 eine Monopolstellung zusicherte. Vor allem aber war es der 1885 von dem österreichischen Chemiker Carl Auer von Welsbach erfundene, weiß leuchtende Glühstrumpf aus seltenen Erden, der dafür sorgte, dass der Siegeszug des elektrischen Lichtes vielerorts gebremst werden konnte; denn das sogenannte Auerlicht war wesentlich billiger. Wenn auch nicht effizienter oder gar feuersicher.

Postkartengalerie: München vor 100 Jahren

Ein wenig Licht in der Finsternis

Brennender Docht einer Öllampe

Die zentralen Gassen Münchens waren seit 1731 beleuchtet. Öl- oder Talglampen taten ihr Bestes, um ein wenig Licht in die Finsternis zu bringen. 120 Jahre lang flackerten, qualmten und rußten sie vor sich hin, bis die Stadt im Herbst 1850 auf Gaslaternen umrüstete. Spät - wenn man bedenkt, dass Johann Georg Pickel sein chemikalisch-pharmazeutisches Laboratorium an der Universität Würzburg schon Jahrzehnte vorher, also 1786, erstmals mit aus Knochenfett gewonnenem Gaslicht erhellte. Aber die Entdeckung, dass organische Stoffe (wie zum Beispiel Kohle) beim Erhitzen entflammbare Gase entlassen, diese Entdeckung nutzten zunächst nur die Engländer kommerziell. In ihren Webereien und Gießereien trieben Gasleuchten, die die Nacht zum Tag machten, die industrielle Revolution tüchtig voran. 1819 standen bereits 51.000 Stück entlang der Londoner Straßen. Sieben Jahre später, am Abend des 19. September 1826, erlebten dann die Berliner ihre Premiere: die Straße Unter den Linden erstrahlte nun auch in supermoderner Gas-Illumination.

Justina Schreiber über den Wettstreit zwischen Glühlampe und Glühstrumpf in der guten alten Zeit.


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