Bayern 2 - Land und Leute


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"Die Zukunft der Erinnerungen" Italo Svevos Schulzeit in Segnitz

Von: Ursula Naumann

Stand: 18.12.2011 | Archiv

Italo Svevo | Bild: Tevfik Mentes

"Die Menschen können nicht alles sehen; bestimmten Dingen sind ihre Augen verschlossen. Es mußte die Zukunft sein, die sie besser belehren würde. Natürlich die Zukunft der Erinnerungen! Er mußte lernen, daß die Arbeit des Gedächtnisses sich ebenso in der Zeit bewegen kann wie die Ereignisse selbst."

(Italo Svevo, „Die Zukunft der Erinnerungen“)

„Die Zukunft der Erinnerungen“ heißt eine Fragment gebliebene Erzählung des Triester Schriftstellers Italo Svevo (alias Ettore Schmitz), in der sich Reflexionen über das Wesen von Erinnerung mit Erinnerungen verschränken. Sie handelt (wie diese Sendung) von einer Reise in die Vergangenheit und von einer längst vergangenen Reise, die von der bedeutenden Handelsstadt Triest in ein fränkisches Dorf führt. Dabei gelangt der Reisende zu traumatischen Kindheitsstationen: Scham, Strafe, Trennung, Verstoßung, Verrat.

Erinnerungen an Segnitz am Main

Weinort und Heimat der Broträusch': Segnitz am Main

Mit dieser Geschichte ist das etwa 25 km von Würzburg entfernt liegende Segnitz am Main in die Weltliteratur eingegangen. Vier Jahre lang, von 1874 bis 1878, hat Ettore Schmitz (Svevo) hier eine jüdische Internatsschule, das „Brüsselsche Handelsinstitut“, besucht, dessen Gebäude bis heute erhalten ist. Hier erwachte er „zu Gefühl und Vernunft“, hier fand er durch die Lektüre von Shakespeare und deutschen Klassikern seinen Beruf als Schriftsteller, hier gründet sein Italien und Deutschland (Svevo = Schwabe = Deutscher) verbindendes Pseudonym. - Ursula Naumann schildert die „Zukunft der Erinnerungen“ – Italo Svevos Schulzeit in Segnitz.

Das „Brüsselsche Handelsinstitut“ in Segnitz

1848 gründete der „israelitische Religions- und Sprachlehrer“ Julius Brüssel in Segnitz eine „Erziehungs- und Unterrichtsanstalt“ für „jüdische, der Werktagsschule entlassene Söhne, welche sich dem Handelsstande widmen wollen“. In den ersten Jahrzehnten florierte die Schule; als die Brüder Schmitz sie besuchten, war die Schülerzahl schon wieder rückläufig, wohl auch eine Folge der Freizügigkeit, die den Juden 1871 in Bayern zugestanden wurde. Aus Elios Aufzeichnungen wissen wir, daß der Direktor Samuel Spier die Schüler ungern in den Ferien nach Hause lassen wollte, weil er fürchtete, sie damit zu verlieren; um Zöglinge für sein Institut zu gewinnen und einzuholen, unternahm er weite Reisen nach Italien, Österreich, Triest. Im Schuljahr 1875/76 stammten neun von den zwanzig Schülern in Ettores Klasse aus dem Habsburgerreich. Es war ihm auch gelungen, Francesco Schmitz von den Vorteilen seines Instituts ebenso zu überzeugen, wie von der eigenen Kompetenz.


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