Bayern 2 - Land und Leute


58

Die Gebrüder Gandorfer Antiklerikal und antimonarchisch

Renate Eichmeier begibt sich auf die Spuren der revolutionär gesinnten Brüder Carl und Ludwig Gandorfer aus dem niederbayerischen Pfaffenberg, die immer wieder in Konflikt mit den königlich-bayerischen Obrigkeiten gerieten.

Von: Renate Eichmeier

Stand: 18.09.2016 | Archiv

"Ich weiß, dass die Nationalsozialisten arm im Geiste sind. Deshalb verzeihe ich Ihnen."

(Carl Gandorfer)

Kurt Eisner

"Es war ungefähr im November 1918, da wurde in Landshut im Bernlochner Saal eine große Versammlung abgehalten, wo Kurt Eisner sprechen sollte. Ob Gandorfer der Einberufer war, kann ich leider nicht sagen. Lange vor der Zeit war der Saal derart überfüllt, dass die Versammlung im Freien stattfand und zwar nebenan im Heissgarten. Nachdem Eisner lange nicht kam, wurde die Versammlung eröffnet. Gandorfer wurde auf einen Tisch gehoben und rief mit starker Stimme: Werte Volksgenossen! Wer hat die Revolution gemacht? Wir haben die Revolution gemacht, ich und mein Freund Eisner. Dabei hat sich Gandorfer auf die Brust geschlagen."

(Augenzeuge der Veranstaltung Im Bernlochner Saal, Landshut, November 1918)

"Ich muss feststellen, dass nicht ich der Gandorfer bin, der in Bayern mit Eisner die Revolution gemacht hat. Das war vielmehr mein Bruder Ludwig Gandorfer."

(Carl Gandorfer)

Die Gandorfers waren eine der einflussreichsten Familien

Der Gandorfersche Zollhof

Niederbayern zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Das Leben war landwirtschaftlich geprägt. Kirchliche und königliche Obrigkeiten sorgten für Ruhe und Ordnung. In der kleinen Marktgemeinde Pfaffenberg im heutigen Landkreis Straubing-Bogen waren die Gandorfers eine der einflussreichsten Familien. Ihnen gehörte nicht nur der ansehnliche Zollhof. Sie betrieben auch eine Sägemühle und eine Ziegelei. Die beiden Söhne Carl und Ludwig, 1875 und 1880 geboren, waren bekannt für ihre Aufmüpfigkeit und gerieten immer wieder in Konflikt mit den königlich-bayerischen Obrigkeiten. Doch der wirtschaftliche Erfolg verschaffte ihnen Rückenwind. Carl war bereits um 1900 ein erfolgreicher Bauunternehmer, der Pfaffenberg u.a. mit einem Elektrizitätswerk versorgte.

Bilder aus dem Leben von Carl und Ludwig Gandorfer

Auch politisch zeigten sich die Brüder innovationsfreudig bis revolutionär

Ludwig Gandorfer starb 1918 bei einem Autounfall

Ludwig wurde erst Mitglied der SPD, dann der USPD. Und Carl engagierte sich im antiklerikalen Bauernbund, wurde Bürgermeister von Pfaffenberg und Abgeordneter im Landtag. Gegen Ende des Ersten Weltkrieges bewegten sich die beiden in revolutionären Kreisen und unterstützten den Sturz der Monarchie. Bekannte Revolutionäre wie Eisner, Schneppenhorst und Mühsam kamen zu Besuch auf den Pfaffenberger Zollhof. Im November 1918 beteiligte sich Ludwig Gandorfer an der Revolution in München. Auf der Heimfahrt nach Pfaffenberg wurde er bei einem Autounfall tödlich verletzt. Sein Bruder Carl blieb ein Leben lang ein leidenschaftlicher Politiker, war in der Weimarer Republik über Jahre hinweg Bürgermeister, Landtags- und Reichstagsabgeordneter. Er erwies sich als begabter Redner mit Hang zur Polemik, griff an und wurde angegriffen, verklagte und wurde verklagt und legte sich auch mit den aufkommenden Nazis an, die ihm Beteiligung an der Revolution vorwarfen und ihn damit als "Novemberverbrecher" abstempeln wollten. Einen letzten Beleidigungsprozess führte er erfolgreich gegen den Nazilehrer Graßl, bevor er 1932 an Diabetes starb.


58