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Gabriele Münter "Von allen Reisen hierhin zurück“

Für Gabriele Münter begann nach ihrer Trennung von Wassily Kandinsky eine unstete Zeit voller Selbstzweifel. Erst als sie 1928 den Kunsthistoriker Johannes Eichner kennenlernte kam sie wieder zur Ruhe. Justina Schreiber erzählt vom zweiten Leben der Malerin in Murnau.

Von: Justina Schreiber

Stand: 31.10.2017 | Archiv

Gabriele Münter, Porträt, um 1935 | Bild: Gabriele Münter- und Johannes Eichner-Stiftung; VG Bild-Kunst, Bonn 2017

Es dauerte, bis sie sich von dieser Kränkung erholte: Wassily Kandinsky,  ihr einstiger Lehrer und langjähriger Lebensgefährte, hatte die Wirren des Ersten Weltkrieges genutzt, um den Kontakt zu ihr ohne Begründung abzubrechen.

Eine unstete Zeit voller Selbstzweifel

Gabriele Münter (um 1921)

Gabriele Münter taumelt durchs Leben, entwurzelt und auf sich allein gestellt. Ohne Künstlerfreunde, ohne eigenes Atelier. 1920 kehrt sie aus Skandinavien nach Deutschland zurück und pendelt unentschlossen zwischen ihrem Sommerhaus in Murnau, Münchner Pensionszimmern und Schloss Elmau, wo der charismatische Theologe Johannes Müller esoterische Krisenbewältigung anbietet. Dann nimmt die knapp 50-Jährige, verunsichert wie sie ist, in Berlin und Paris noch einmal Malunterricht. Die Kontakte zu alten Bekannten und Kolleginnen tun ihr gut. Aber im Januar 1927 notiert sie in ihr Tagebuch, dass sie sich immer noch bei lebendigem Leibe begraben fühlt.

"Ohne Hilfe kann ich nicht diese schwere Schicht durchbrechen und blühen. Jemand muss kommen und aufkratzen und wegschaufeln, dass es wieder wachsen und leben kann."

(Gabriele Münter)

Und es kommt jemand und kratzt auf und schaufelt – was nur geht – weg. Gabriele Münters Held und Retter ist ein schmächtiger Mann mit sauber gestutztem Oberlippen-Bärtchen. Ein etwas kauziger, konservativer Einzelgänger. Sein Name: Doktor Johannes Eichner. Jahre später schreibt er über die Begegnung:

"Am Silvesterabend 1927, auf einer heiteren Gesellschaft bei dem Maler und Kunstwissenschaftler Dr. Hermann Konnerth, bahnte sich für Gabriele Münter ein Wandel des Schicksals an. Vorausgeahnt und bestimmt erwartet, wie das Tagebuch verrät, begegnet sie hier einem Manne, an dem sie alles fand, was sie brauchte, und mit dem sie bis zum heutigen Tage in glücklicher Symbiose verbunden ist."

(Johannes Eicher, sich selbst beschreibend)

Gabriele Münter behielt ihr Murnauer "Russenhaus"

Das sogenannte "Russenhaus" in Murnau ist heute als Museum öffentlich zugänglich

Der neun Jahre jüngere Eicher animierte sie zum Weitermalen – wenn auch gelegentlich ziemlich direktiv. Er kümmerte sich außerdem um alles Geschäftliche und sorgte dafür, dass Münter ihr Murnauer Haus, das "Russenhaus", in dem sie mit Kandinsky gewohnt hatte, nicht verkaufte.

Späte Würdigung nach dem Krieg

Gabriele Münter, Stilleben vor dem gelben Haus, 1953

1931 zogen die beiden, die zeitlebens beim "Sie" blieben, dort ein. Inspiriert vom eigenen Garten und von Sträußen, die sie sich in der ortsansässigen Gärtnerei Müssig holte, schuf Münter hier in den 31 Jahren bis zu ihrem Tod vor allem Blumenstillleben. Nach dem zweiten Weltkrieg kam die vormals "entartete" Künstlerin in den Genuss später Würdigungen. Sie gab mehr als genug zurück, indem sie der Stadt München zu ihrem 80. Geburtstag zahlreiche eigene Werke sowie  Bilder Kandinskys und anderer Mitglieder der Künstlervereinigung "Blauer Reiter" überließ.

Bayern 2 präsentiert Münter

Bayern 2 ist Medienpartner der Ausstellung "Gabriele Münter. Malen ohne Umschweife", die vom 31. Oktober 2017 bis 8. April 2018 im Münchner Lenbachhaus gezeigt wird. Münters Werk, das vor allem mit dem "Blauen Reiter" assoziiert wird, war facettenreicher und stilistisch breiter gefächert als bisher bekannt. Ein großer Teil der 140 Gemälde in der Ausstellung wurde noch nie oder letztmals vor Jahrzehnten der Öffentlichkeit präsentiert.

Mehr Informationen: http://www.lenbachhaus.de/

Buchtipps:

Gabriele Münter und Wassily Kandinsky - Biographie eines Paares
Taschenbuch: 813 Seiten
Autorin: Gisela Klein
Verlag: Insel Verlag; Auflage: 1. (26. Juli 1994)
ISBN-10: 3458333118
ISBN-13: 978-3458333111

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Gabriele Münter: Malen ohne Umschweife

Zum 140. Geburtstag einer großen Künstlerin erscheint dieses Buch begleitend zur Ausstellung in der Städtischen Galerie im Lenbachhaus und Kunstbau, München, im Louisiana Museum of Modern Art, Humlebaek und im Museum Ludwig, Köln.

Herausgeber: Isabelle Jansen, Gabriele Münter- und Johannes Eichner-Stiftung; Matthias Mühling; Städtische Galerie im Lenbachhaus
Gebundene Ausgabe: 272 Seiten
Verlag: Prestel Verlag (7. November 2017)
ISBN-10: 3791357042
ISBN-13: 978-3791357041


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