Bayern 2 - Land und Leute


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Die Gräfin und der schöne Wahnsinn Franziska zu Reventlow und Bohdan von Suchocki

Bohdan von Suchocki war kein Intellektueller, aber ein Freund, dem die Schriftstellerin Franziska zu Reventlow alle ihre Nöte und Sehnsüchte anvertrauen konnte. - Ein Hörstück von Ulrike Voswinckel anlässlich der Reventlow-Ausstellung "Alles möchte ich immer", die seit 23.9. im Münchner Literaturhaus zu sehen ist.

Von: Ulrike Voswinckel

Stand: 03.10.2011 | Archiv

Franziska zu Reventlow | Bild: picture-alliance/dpa

Als es im Münchner Fasching noch die Elendenkirchweih, den Scharfrichterball, den Bauernball, die Nachkirchweih, das Kosmikerfest, das Werdenfelser Fest und viele andere Feste mehr gab, war die Schwabinger Boheme Nacht für Nacht auf den Beinen, und meistens ging das eine Fest in das nächste über, nur unterbrochen von kurzen Zwischenspielen auf dem Eis des Kleinhesseloher Sees. Im Zentrum immer die Gräfin Reventlow, die Vielumschwärmte und Phantasievollste von allen, deren Tagebüchern wir eine präzise Kenntnis des Schwabinger Lebensgefühls zu Anfang des letzten Jahrhunderts verdanken.

"Mit ihm tanzen ist wirklich schöner Wahnsinn ..."

Bilder von Franziska zu Reventlow und Bohdan von Suchocki

Im Fasching 1903 verliebte sie sich in Bohdan von Suchocki, der immer als Krieger mit Schwert und Panzerhemd auftrat: „Tanz mit Such, ich wieder Griechin, er Panzer. Mit ihm tanzen ist wirklich schöner Wahnsinn...“ Ihre Liebesbeziehung ist stürmisch und zärtlich und hält länger als Reventlows andere Affären. Der Briefwechsel zwischen beiden erstreckt sich von 1903 bis 1909, als Suchocki unglücklich und elend in Amerika sitzt und kein Geld zusammenbringt, um wieder nach München zu kommen. Es sind Liebesbriefe, die ihren Charme aus der sehr ungeschützten Sprache beziehen – Bohdan von Suchocki ist für Franziska zu Reventlow kein intellektueller Gesprächspartner, aber einer, dem sie rückhaltlos ihre Stimmungen, Nöte und ihre Sehnsucht anvertrauen kann. Er ist der Gegenpol zu den überspannten Kosmikern, die in dieser Zeit gerade ihren großen Krach inszenieren, und er ist es, mit dem sie zusammen mit Franz Hessel in das später berühmt gewordene „Eckhaus“ in der Schwabinger Kaulbachstraße zieht, große Bergwanderungen in Oberbayern unternimmt und nach Italien reist, um dort das gemeinsame Kind zur Welt zu bringen.

Reventlow-Ausstellung im Münchner Literaturhaus

Es ist die Zeit, die Franziska zu Reventlow später in ihrem Roman „Herrn Dames Aufzeichnungen“ zu dem gültigsten Schwabingbild verdichtet hat; die Briefe zeigen das verletzliche Herz dazu. - Ein Hörstück von Ulrike Voswinckel anlässlich der Reventlow-Ausstellung „Alles möchte ich immer“, die seit 23. September im Münchner Literaturhaus zu sehen ist.


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