Bayern 2 - Land und Leute


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Auf der Flucht Drei Prinzessinnen im Weiler Hintergschwendt

Im November 1918 gelang es Oppositionellen um den Sozialdemokraten Kurt Eisner, den letzten bayerischen König Ludwig III. zu stürzen. - Christoph Thoma berichtet über die abenteuerliche Flucht dreier Wittelsbacher-Prinzessinnen, die im Chiemgau bei Bauern Unterschlupf fanden.

Von: Christoph Thoma

Stand: 01.03.2015 | Archiv

König Ludwig III. von Bayern im Kreis seiner Familie, vordere Reihe v.l.: Gundelinde Prinzessin von Bayern, Prinz Luitpold, Königin Marie Therese, König Ludwig III., Prinz Albrecht, Maria Prinzessin von Bayern, hintere Reihe v.l.: Heimtrudis Prinzessin von Bayern, Karl Prinz von Bayern, Wiltrud Prinzessin von Bayern, Franz Prinz von Bayern, Kronprinz Rupprecht, Adelgunde Prinzessin von Bayern, Hildegard Prinzessin von Bayern | Bild: Scherl/Süddeutsche Zeitung Photo

Drei Wittelsbacher Prinzessinnen, - Hildegard, Gundelinde und Wiltrud - fanden Zuflucht bei Bauern im Weiler Hintergschwendt zwischen Aschau und Bernau im Landkreis Rosenheim. Deren Kinder und Enkel halten die Erinnerung an die Wittelsbacher Königstöchter noch immer lebendig. Christoph Thoma hatte bei seinen Nachforschungen auch das Original-Tagebuch der Prinzessin Wiltrud in der Hand. Darin sind die Ereignisse rund um die Bayerische Revolution akribisch beschrieben, ebenso die Flucht in den Chiemgau und die Erlebnisse bei den einfachen Menschen, die den Königskindern Zuflucht gewährten. Ein kaum bekanntes Kapitel bayerischer Geschichte wird lebendig.

"8. November. Hildegard, Gundelinde und ich packten in Eile unsere Habseligkeiten zusammen und gingen zu Mama, die wieder zu Bett lag und in ein heftiges Weinen ausbrach, als wir zu kurzem Abschied kamen. Dann ging es zu Papa, der auf der Chaiselongue lag und uns drei den Segen gab."

(Aus den Tagebüchern der Prinzessin Wiltrud)

Prinzessinnen beim Laub rechen und "Daxen hacken"

Was wie ein Märchen klingt, ist verbürgt und historisch verbrieft: ein Mosaik-Steinchen Bayerischer Geschichte. Wittelsbacher Prinzessinnen auf der Flucht, die dann - in bäuerlicher Kleidung - für Kost und Logis in Haus und Hof bei den gastgebenden Bauern aushelfen, mit ihnen aus demselben Suppentopf löffeln, sogar Laub rechen und „Daxen hacken“, bis auffällt, dass sie sich bei der ungewohnten Arbeit nicht allzu geschickt anstellen. In den Höfen von Gschwendt ist die Erinnerung noch wach und wird von Generation zu Generation weitergegeben.

"De hamm ja überhaupt nix g’habt, wie’s kommen sind. Koane Möbel, koa G’wand und nix zum Lesen. Der Baron Cramer-Klett vom benachbarten Schloss Hohenaschau hat am nächsten Tag Einiges auffabringa lassen. Da waren sehr viele Bücher dabei,  kostbare zum Teil mit Ledereinbänden."

(Rupert Wörndl, Heimat- und Kulturverein Frasdorf (fürstliche Bücher))

Bildergalerie: Auf den Spuren der Prinzessinnen im Chiemgau

Erinnerungsstücke werden in Ehren gehalten

Sowohl im "Hauser"-Hof von Hintergschwendt wie auch im "Annerl"-Hof von Vordergschwendt werden Erinnerungsstücke verwahrt: ein Album mit verblichenen Fotografien oder die Kopie des Original-Tagebuchs der Prinzessin Wiltrud, das die Flucht aus München und den beschwerlichen nächtlichen Fußmarsch von Schloss Wildenwart über Vordergschwendt bis nach Hintergschwendt beschreibt.

Was ist damals wirklich geschehen?

Die Geschichte vom November 1918 hat auch das Haus Wittelsbach nie vergessen. Sowohl im "Geheimen Archiv" in München als auch im "Museum der Bayerischen Könige" in Hohenschwangau ist der Vorgang bekannt. Es gibt mehrere Publikationen und sogar Bücher, in denen die Geschichte vorkommt. Nur bei den Details sind noch Fragen offen. - Christoph Thoma hat mit den Bauern von Gschwendt gesprochen, mit Historikern und Vertretern des Hauses Wittelsbach. Nach intensiven Recherchen erzählt er, was wohl damals wirklich geschehen ist, im November 1918, in Hintergschwendt.


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