Der Fall Bosl Oder: Wie die "Bayerische Geschichte" mit ihrer Geschichte umgeht
"Wahrheit ist Wirklichkeit, die es zu rekonstruieren gilt." Das klingt einfach, ist aber gerade bei Karl Bosls Biografie sehr schwierig. Was ist wahr? Und was erfunden? Was geschah wirklich, und was war reine Fantasie im Lebenslauf des Historikers Karl Bosl?
Der Historiker Karl Bosl (1908-1993) galt schon zu Lebzeiten als einer der bedeutendsten Köpfe seines Faches. Der langjährige Lehrstuhlinhaber für Bayerische Landesgeschichte an der Universität München war ein international angesehener Wissenschaftler, ein gefragter Vortragsredner und geschätzter Doktorvater. Seine Studien zur Gesellschafts- und Wirtschaftsgeschichte des europäischen Mittelalters haben völlig neue Forschungswege eröffnet. Bosls Werdegang blieb allerdings lange Zeit im Dunklen. Seine Mitgliedschaft in der NSDAP und der SA wurde 1998 erstmals in einer Publikation erwähnt. Bosl selbst hatte sich stets in die Nähe des Widerstands gerückt.
Widerstandshandlungen nur Teil einer Legende?
In jüngster Zeit wurde seine Biografie jedoch etwas näher in Augenschein genommen, und in einigen Aufsätzen und Zeitungsartikeln war zu lesen, dass Bosls Widerstands-handlungen wohl Teil einer Legende sind. Der ehemalige Lehrer für Geschichte hat sich unmittelbar nach dem Krieg gegenüber einem amerikanischen Offizier jener Taten gerühmt, deretwegen einer seiner Schüler am Ansbacher Gymnasium in den letzten Stunden des Krieges hingerichtet worden war. Täuschung und Selbsttäuschung? Vieles deutet darauf hin.
Wie historisch korrekt ist die „Bayerische Geschichte“?
Wie aber geht die "Bayerische Geschichte" mit dem Fall Bosl um? Wie mit den anderen braunen Flecken des Faches? Immerhin war Bosls Doktorvater Karl Alexander von Müller einer der wichtigsten Historiker im Nationalsozialismus. Wie historisch korrekt ist die „Bayerische Geschichte“, wenn sich einer wie Karl Bosl unwidersprochen in einer Lebenslüge verheddern konnte? Thomas Grasberger geht diesen Fragen nach.