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Herrn Schefbecks Grab Skandal auf dem Alten Südlichen Friedhof

Jahrelang galt die Geschichte "Das Grab des Herrn Schefbeck" von Josef Ruederer als frei erfunden. Ist sie aber nicht. Es gab tatsächlich eine Witwe, die ihren Mann ins Armengrab umbetten ließ, um das Geld für die teure Gruft zu kassieren. Dorothee Rengeling schildert den Skandal um Sex, Gier und Geld.

Von: Dorothee Rengeling

Stand: 01.11.2016 | Archiv

Trauernde Engel, steinerne Sarkophage, weinende Frauengestalten, Büsten aus Marmor, Namen und Inschriften in schwarzen, weißen, grauen Stein gemeißelt, Reliefs in Bronze, Kreuze - Tausende von Gräbern reihen sich aneinander. Überwachsen von Hecken, eingebettet in grüne Sträucher, überschattet von alten Bäumen. Das ist der Alte Südliche Friedhof mitten in München zwischen Stephansplatz und Kapuzinerstraße. Ein Freilicht-Museum der ewig Trauernden und ständig Tröstenden. Um die 18.000 Gräber, viele mit künstlerisch gestalteten Grabmalen, beherbergt der Alte Südliche Friedhof. Eine Grabstätte hebt sich von allen anderen ab - durch ihre Geschichte: die Geschichte eines Skandals ...

"Das Grab des Herrn Schefbeck"

Alter südlicher Friedhof München

Eine kleine Erzählung aus dem Jahr 1909 von Josef Ruederer hat es in sich. "Das Grab des Herrn Schefbeck" erzählt von Betrug, Sex, Geld, Gier. Von einem Skandal, der auf dem Alten Südlichen Friedhof um die Jahrhundertwende spielt. Eine Witwe hatte die prunkvolle Grabstätte ihres verstorbenen Mannes verkauft und den Leichnam bei Nacht und Nebel in einem Armengrab verscharren lassen. Jahrzehntelang galt die Erzählung als frei erfunden.

Ruederers Novelle beruhte auf einer wahren Begebenheit

Historische Aufnahme des Arkadengangs mit Grabstelle, auf dem Alten Südlichen Friedhof (ca. 1940).

Vor einigen Jahren machte dann die  Kunsthistorikerin Dr. Claudia Denk, Spezialistin für den Alten Südlichen Friedhof in München, im Rahmen eines Forschungsprojektes  eine sensationelle Entdeckung. Sie stieß im Stadtarchiv auf eine Zeitungsnotiz,  die sehr schnell deutlich machte, dass die bekannte Novelle von Ruederer auf einer wahren Begebenheit beruhte. Claudia Denk recherchierte lange, wer die Witwe, das Grab und der herausgeschmissene Tote waren. Sie fand die noch existierende Prunk-Grabstelle auf dem Alten Südlichen Friedhof und identifizierte den Großhändler Georg Lorenz  als Josef Schefbeck in Ruederers Geschichte.

Die Witwe verkaufte das Grab und verschwand im Ausland

Junge Witwe

Mit dem Umbetten ins Armengrab nahm die junge Witwe Olly Rache an ihrem Mann, der sie mittellos hinterlassen hatte. Dabei war das Geld der einzige Grund, warum die lebenslustige junge Frau den dicken alten Wurstfabrikanten überhaupt genommen hatte. Nach seinem Tod dann die schockierende Entdeckung: Alle Depots leer. Kein Geld, keine Rente. Stattdessen: ein Leben in Armut. Es gab nur ein einziges Grundstück, auf dem keine Hypothek lag und das richtig viel Geld wert war, eine winzige Immobilie: Das Grab von Herrn Schefbeck. Das verkaufte die Witwe  an eine wohlhabende Familie, verschwand mit dem Geld ins Ausland.

Buchtipps:

Josef Ruederer

Das Grab des Herrn Schefbeck

Autor:
Josef Ruederer
Hrsg.: Claudia Denk und Michael Stephan
Taschenbuch: 128 Seiten
Verlag: Allitera Verlag
Auflage: 1 (10. August 2015)
ISBN-10: 386906689X
ISBN-13: 978-3869066899

Die Neuedition der Erzählung mit historischen Aufnahmen des Schauplatzes und der Skandalgrabstätte umfasst zwei begleitende Essays. Sie ordnen die Novelle in Ruederers Werk ein und stellen ihre historischen Akteure und Begebenheiten vor. Die Anspielungen auf bekannte Münchner Persönlichkeiten und deren Grabstätten sowie aktuellste Fragen zur "Etikette" des Todes erschließt eine weitere Kommentierung.

Kunst und Memoria: Der Alte Südliche Friedhof in München

  • Autoren: Claudia Denk und John Ziesemer
  • Gebundene Ausgabe: 544 Seiten
  • Verlag: Deutscher Kunstverlag; Auflage: 1 (6. Mai 2014)
  • ISBN-10: 3422072276
  • ISBN-13: 978-3422072275

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