Bayern 2 - Land und Leute


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Alfred Kubin Besuch im Schlössl des Malers in Zwickledt

Alfred Kubin war ein Künstler, den das Phantastische, die Abgründe der Seele und die Geschöpfe der Nacht - vor allem der Rauhnächte - faszinierten. "Traumprotokolle eines Grenzbewohners" nennt Harald Grill seinen Expeditionsbericht von einem Besuch in Kubins Schlössl in Zwickledt an der bayerisch-österreichischen Grenze.

Author: Harald Grill

Published at: 6-1-2015 | Archiv

Der Zeichner Alfred Kubin in seinem Haus in Zwickledt bei Schärding (1951) | Bild: IMAGNO/Franz Hubmann/Süddeutsche Zeitung Photo

Der Graphiker, Maler, Illustrator und Schriftsteller Alfred Kubin gilt als bedeutender Vertreter des Expressionismus. Er war ein Mitglied des legendären "Blauen Reiters". Sein Werk bestand vor allem aus kolorierten Federzeichnungen und Lithographien voll düsterer Symbolik, die er als "Traumprotokolle" bezeichnete. So manches der kubinschen "Gfrieser" ist bestimmt auch schon in den Träumen der Betrachter seiner Werke als Alptraum wieder aufgetaucht ... Wer sich mit dem Werk und der Biografie Alfred Kubins befasst, könnte auf den Gedanken kommen, dass Leben und Arbeiten dieses Künstlers von Weltrang sich als endlose Kette von Raunächten darstellen - ganz so, als hätte er sich das Düstere, das Dämonische und Angsteinflößende aus dem Leib zeichnen wollen. Seine Zeichnungen erscheinen wie Protokolle dieses lebenslangen Ankämpfens.

"Die Wirkliche Hölle liegt darin, dass sich dies widersprechende Doppelspiel in uns fortsetzt. 'Die Liebe selbst hat einen Schwerpunkt‚ zwischen Kloaken und Latrinen'. Erhabene Situationen können der Lächerlichkeit, dem Hohne, der Ironie verfallen."

(Alfred Kubin – Schlusssatz aus: 'Die andere Seite')

Er nährte seine Dämonen - und sie ernährten ihn

Es ging ihm nicht ums Verdrängen der Angstzustände, sondern um das Bewusstmachen der Hölle. Das Prinzip der Raunächte: Dem Bösen mit dessen eigener Fratze ins Angesicht schauen. Das Böse mit dem Bösen vertreiben. So musste sich seine Umgebung mehr und mehr in eine Angst ein­flößende Traumlandschaft verwandeln, die ohne Unterlass nach künstlerischer Aufarbeitung verlangte. - Er nährte seine Dämonen - und sie ernährten ihn. Kubin begann Bücher zu illustrieren. Er hatte Erfolg. Mit Feder­zeichnungen zu düsteren Geschichten von Dostojewski und Edgar-Allan Poe konnte er sich finanziell über Wasser halten. Von seinen Motiven her könnte man ihn einordnen in der Nachbarschaft von Hieronymus Bosch, James Ensor und Max Klinger, von denen sich auch Grafik-Blätter in seiner privaten Sammlung fanden.

"Phantasien aus dem Böhmerwald"

Alfred Kubin, "Hengst und Schlange"

Ein großer Teil von Kubins Arbeiten entstand in der ländlichen Abgeschiedenheit seines Hauses in Zwickledt an der bayerisch-österreichischen Grenze. Gelegentliche Reisen nach Böhmen, auf den Balkan, Südfrankreich, Italien, Prag, Berlin, München, Zürich oder Paris ermöglichten es ihm, mit Künstlerkollegen und Freunden zusammenzutreffen. Alljährlich kehrte Kubin aber auch gerne in sein Heimatland Böhmen zurück; auf einer seiner Zeichnungen aus der Sammlung "Phantasien aus dem Böhmerwald" vermerkte er: "Seither weiß ich, dass diese oft düstere menschenarme Landschaft die eigentliche Heimat meiner Seele ist, dass in ihr die tiefsten Wurzeln meines Wesens ruhen. Dieses Bewusstsein erfüllt mich seitdem ganz und gar, mit unwiderstehlicher Gewalt zieht es mich Jahr für Jahr in dieses Land." - Im Laufe der Zeit milderte sich der Pessimismus seiner Jugendjahre. Durch regen Briefwechsel stand er in Gedankenaustausch mit seinen Freunden wie Ernst Jünger, Salomo Friedländer, Richard Billinger oder Gustav Meyrink.

Harald Grill begleitet die Nichte von Kubins Haushälterin in Zwickledt durch das Kubin-Schlößl, das noch genauso eingerichtet ist wie zu Lebzeiten des Künstlers - man könnte glauben, er sei nur kurz spazieren gegangen und käme jeden Augenblick zur Tür herein.

"Viel Leit in der Umgebung haben Kubin-Zeichnungen in Ofen gschobn. De haben des net aufhänga wolln. A Buildl hat ma, dass mans aufhängt, und wenn's so schiach is und so greislich, dann hängt man's nicht auf. Dann tuat ma s in a Lad nei, naa, da is schad um an Plootz, in a Schachtel in Dachbodn auffi. Und nommal oans und nommal oans und dann is d'Schachtel amol voll und dann irgendwer sagt, etz zindt ma unter damit. Und später sans dann kummer und ham gsagt, mia ham zwoa Schachteln Kubin-Zeichnungen verhoazt. Waarn de wertvoll gwen? Und irgendwie ham dann wieder oa gsagt, geh da eini in d' Lad brauchst as aa net doa - vielleicht is dann s Glas amol brocha, dann hams ses halt wirklich in Dachbodn oder in Keller und richtig gwusst hat ma aa net, was des darstellen soll, was soll ma denn dann am Bsuach erklärn, was des is. Na so epps greislichs hängst dir du auf. Also ham se se denkt, bevor ma uns schammer miassn, schmeiss ma s weg. Und i muss aa de Leit a wenig verteidigen, de ham andere Sorgen ghabt. Des warn Bauern, de Kinder ghabt ham, de Hunger ghabt ham, de krank warn, de ham wirklich schaung miassn, dass s' Leben rundum geht. Es hat einfach d Zeit net passt. Aber i moan, i hab den Vorteil ghabt, dass i n als Kind erlebt hab, wobei meine Eltern eigentlich aa gsagt ham 'Dua net, was der sagt, weil der spinnt.'"

(Jutta Mairinger, Nichte von Kubins Haushälterin in Zwickledt)


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