Bayern 2 - Kulturjournal


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Und das sollen wir sein? Die Gesellschaftsbilder von Henning Wagenbreth

Der Berliner Grafiker und Illustrator Henning Wagenbreth schafft grelle, irritierende, dichte Bilderwelten. Das Olaf Gulbransson Museum in Tegernsee zeigt seine Arbeiten in einer Ausstellung, das Kulturjournal stellt den Künstler vor.

Stand: 28.09.2016

Für klangvolle Titel hatte die DDR bekanntlich einen speziellen Sinn, und natürlich ließen sich solche Titel in neuen Kontexten ironisch-subversiv wenden. Zum Beispiel, wenn ein Zeichner Ende der 80er-Jahre eine Künstlergruppe mit dem bei einer "Gärtnerischen Produktionsgenossenschaft" entliehenen Namen "PGH Blühende Zukunft" versah. So geschehen durch Henning Wagenbreth und einige Mitstreiter - zu einer Zeit, als die DDR nicht mehr viel Zukunft vor sich hatte.

Napoleon lebt!

Für Henning Wagenbreth dagegen, geboren 1962 in Eberswalde und an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee zum Diplomgebrauchsgrafiker ausgebildet, öffneten sich mit dem Mauerfall, wie für viele andere Künstler auch, neue Perspektiven. Mit einem Stipendium reiste er Anfang der 90er-Jahre nach Frankreich, die Anregungen dieses Aufenthaltes und die Begegnung mit Art Spiegelmans RAW-Magazin brachten ihn zum künstlerischen Comic.

Auch ein Napoleon ... aus: "Das Geheimnis der Insel St. Helena"

Wagenbreths eigene Arbeiten setzen kraftvolle Farben und Formen in dichte Szenerien. Mensch, Natur und Technik, wuchernde Apparaturen und maschinenhafte Figuren bevölkern den Bilderkosmos des Künstlers. Hier gibt es kein Entkommen ins Ungefähre, und dennoch ist nichts allzu eindeutig. Napoleon zum Beispiel lebt noch bei Henning Wagenbreth: als Zombie in einer Art Unterwelt, in der er eine technisierte Diktatur errichtet hat. Das "Generalkommando" hat der kleine Korse selbst, dem freilich die Würmer aus Kopf und Kragen kriechen. Es wird Sport getrieben in diesem grotesken Universum, es gibt riesige geheime Bunker unter der kleinen Insel St. Helena und ganze Fabriken. Mensch und Material sind in der Darstellungsweise manchmal nur schwer voneinander zu unterscheiden - was ja auch eine Botschaft wäre.

"So ein Sich-Gemütlich-Machen in der Welt, das will ich wahrscheinlich unterwandern. So sehr ich das nicht mag, die tatsächlichen Beunruhigungen im Leben, so sehr kann ich die im Buch durchspielen. Auf einer theatralischen, spielerischen Ebene spielt man die großen Dramen der Welt, die möglich sind, durch. Das ist auf jeden Fall etwas, was ich mit der Kunst gerne leisten möchte: Dass man damit stört. Dass es nicht gefällt und dann wird es zugeklappt und weggelegt, sondern eine Energie hat, die vieles unterwandert."

Henning Wagenbreth im Kulturjournal-Beitrag von Niels Beintker

Kleinteilige Tableaus, starke Kontraste

Vor allem die Farbgebung kann in Wagenbreths Bilder in die Irre führen: Sie kommen knallbunt daher und wirken auf den ersten Blick bisweilen wie Illustrationen zu einem Kinderbuch.

Henning Wagenbreth

Wenn der Künstler Farben aus einer Farbfamilie in ein großes, verschachteltes Tableau fasst, wie etwa in "Hotel Berlin" oder "Jungle", dann kann ein Blatt auf den ersten Blick schon mal an ein Wimmelbuch erinnern. Das, was dargestellt ist, erweist sich bei genauerem Hinsehen dann allerdings doch wieder als ungeeignet für ein Gute-Nacht-Buch: Mord und Totschlag, Menschen im Kampf aller gegen alle oder eine zerstörte Zivilisation. In anderen Blättern setzt Henning Wagenbach ausdrücklich auf heftige Farbkontraste, die schon als solche etwas Irritierendes haben. Dann trifft Orange auf Russischgrün oder Russischgrün auf Türkis, akzentuiert durch eine starke Linienführung in Schwarz.

Henning Wagenbreth ist Plakatkünstler, Buchillustrator und Grafiker, der nicht nur seine Bilderwelten schafft, sondern auch eigene Schriften entwirft. Derzeit zeigt eine Ausstellung im Olaf Gulbransson Museum Tegernsee Arbeiten des Künstlers, zu sehen noch bis zum 29. Januar 2017.

Kulturjournal

"Und das sollen wir sein? Die Gesellschaftsbilder des Zeichners und Illustrators Henning Wagenbreth"
Von Niels Beintker
Sonntag, den 2. Oktober 2016, ab 18:05 Uhr auf Bayern 2


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