Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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4. Dezember 1758 Wer ermordete den Benediktinerpater Georg Dunckl?

Ein Fall für düstere Krimis: Ein Prior wird in der Abtei ermordet. Realität: Wer ermordete den Benediktinerpater Sebastian Dunck. Ein Ungelöster Kriminalfall. Autor: Simon Demmelhuber

Stand: 04.12.2018 | Archiv

04 Dezember

Dienstag, 04. Dezember 2018

Autor(in): Simon Demmelhuber

Sprecher(in): Krista Posch

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Frank Halbach

Erst wollte der Professor bloß einen Mönch vergiften. Dann wurde er zum Serienkiller und "Der Name der Rose" ein Welterfolg. Dazu musste Umberto Eco ein düsteres Kloster im Apennin, einen verwinkelten Bücherturm und obendrein mächtig viel Mittelalter ersinnen.

Mord in der Abtei

Wir haben es besser. Wir müssen gar nichts erfinden. Trotzdem ist alles da, was ein süffiges Schauermärchen so braucht: Ein erschlagener Prior, ein ungesühnter Mord, wilde Gerüchte, finstere Geheimnisse. Das Kraxeln im verschneiten Gebirge schenken wir uns auch. Wir fahren einfach nach Burghausen und spazieren ein bequemes Stündchen die Salzach aufwärts. Und da steht sie: die Zisterzienserabtei Raitenhaslach, hoch über dem Fluss, hart am Abhang gebaut, eine barocke Klosterlust mit hundert blinkenden Fenstern, bilderselig, stuckverspielt, hell und heiter.

Bloß der Kreuzgang ist immer ein bisschen dämmrig und kühl. Am Abend des 4. Dezember 1758 ist er sogar krachklirrend kalt. Die Brüder haben die Komplet gebetet, ihr Gewissen erforscht und sich gegen acht Uhr schlafen gelegt. Prior Georg Dunckl ist als einziger noch unterwegs. Er kontrolliert die Klausur, prüft Schlösser und Riegel. Schatten jagen das verschreckte Licht seiner Kerze vor sich her. Der Pater schirmt es gegen den Eiswind, der durch Fenster und Türspalten dringt. Ein Geräusch fällt ihn an, er fährt herum - dann nichts mehr.

Um ein Uhr morgens erheben sich die Mönche zum Chorgebet. Stumm, die Köpfe in den Kapuzen, die Hände tief in den Ärmeln verborgen, ziehen sie in die Kirche. Im Kreuzgang stockt die schweigsame Prozession. Schreie, Gerenne, Durcheinander. "Bringt Licht, schnell!" Da liegt etwas. Ein zerbrochener, zerknüllter Mensch. Und Blut! Überall Blut aus zwei klaffenden Schädelwunden und bösen Schnitten an beiden Armen. Da ist nicht mehr zu helfen, Pater Georg Dunckl ist tot.

Der wahre Täter?

Die Tat wird nie geklärt. "Von unbekannter Diebeshand erschlagen", lässt Abt Emanuel dem Prior aufs Grabmal schreiben. Doch der Stein ist machtlos gegen den Zweifel, der bald schon züngelt und zündelt: Ein Räuber von außen, wie kann das sein? Nur Mönche haben Zutritt zur Klausur, kein Fremder passiert die Pforte ungesehen. Nein! Der Mörder muss von innen gekommen sein, ein Bruder hat den Bruder erschlagen. Und warum gab es keine gerichtliche Untersuchung? "Weil etwas Lasterhaftes vertuscht werden musste", hetzt das Gerede und zeigt auf Abt Emanuel: Trauert der gewiefte Taktierer nicht allzu eifrig, pocht der ehrgeizige Aufsteiger nicht allzu zu beflissen auf die Mär vom ertappten Dieb? Und wer außer ihm hätte Macht genug, die Suche nach dem wahren Täter zu hintertreiben?

Was in jener Dezembernacht geschah, bleibt ein Geheimnis. Ob Prior Dunckl einen Mitbruder auf Abwegen oder einen Einbrecher ertappte, wer weiß? Der Schrecken verblasst, ein paar Jahre noch wird der gespaltene Schädel als Gruselhäppchen gezeigt, dann begraben und schließlich vergessen. Die Grabplatte des Priors jedoch hängt noch immer am Tatort. Dort flüstert sie jedem, der sich die Zeit nimmt, ihr Sta Viator! zu: Bleib stehen, Wanderer, hör mir zu! Wäre das nicht einen Ausflug wert, jetzt im Advent, wenn Nebel und Zwielicht ihre tuschelnden Geschichten spinnen!


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