Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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26. April 2000 Welttag des geistigen Eigentums

Innovation statt Imitation! Darum hüte sich jeder dreiste Produktkopierer, denn sonst könnte er preisgekrönt werden: mit dem Plagiarius, dem schwarzen Zwerg mit goldener Nase. Autorin: Prisca Straub

Stand: 26.04.2019 | Archiv

26 April

Freitag, 26. April 2019

Autor(in): Prisca Straub

Sprecher(in): Caroline Ebner

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Frank Halbach

"Amor", "Acqua di Gioia", "J'adore" - Hunderttausende Flacons mit verheißungsvollen Namen kommen jährlich bei Routinekontrollen an der deutschen Grenze zum Vorschein. Doch statt in anmutigen Dekolletés versprüht zu werden, gurgeln die minderwertigen Wässerchen aus Fernost umgehend durch den Ausguss. Denn die Düfte von Cacharel, Armani und Dior sind gefälscht - auf der Haut verfliegen sie wie der Blitz. Doch nicht nur das: Niemand weiß so genau, was die gepantschten Billig-Essenzen wirklich enthalten: Lacke? Lösungsmittel? Alles schon vorgekommen!

Alles nur geklaut!

Produkt-Piraterie ist kein Kavaliersdelikt! Deshalb greift der deutsche Zoll beherzt zu. Am Welttag des geistigen Eigentums, am 26. April, auch gerne vor laufender Kamera: Dann zerquetschen Dampfwalzen meterhohe Berge aus Spielkonsolen. Müllpressen zerfleddern falsche Prada-Handtaschen und Marken-Sneakers und lassen Rolex-Imitate krachen. Es wird verbrannt, geschreddert und vernichtet, was das Zeug hält. Alles nur geklaut, stellt sich allzu oft heraus, wenn Autofelgen schon nach einer Fahrt Risse haben und der Handschutz einer Kreissäge gleich beim ersten Einsatz abfällt. Deshalb - in hohem Bogen - weg damit!

Der Plagiarius-Preis

Was der deutsche Zoll so routiniert zu Asche macht, beobachtet ein kleines Museum im nordrhein-westfälischen Solingen mit brennendem Interesse: Im Museum Plagiarius ist man seit 1977 spezialisiert auf freche Fakes - und stellt die dreisten Nachahmungen aus - Seite an Seite mit dem abgekupferten Original. Egal ob Pfannkuchen-Wender, Spielzeugbagger oder Vibrator - der Teufel steckt bekanntlich im Detail. Selbst die Käsereibe Kasimir verlangt nach einem geschulten Produktpiraten-Auge, um die Kopie eindeutig zu erkennen. Die unverfrorensten Fälschungen werden sogar ausgezeichnet: Mit dem Plagiarius, einem pechschwarzen Gartenzwerg mit goldener Pinocchio-Nase, der jährlich verliehen wird.

Die Liste der unfreiwillig Ausgezeichneten ist lang: Denn nicht nur in Fernost, auch in Europa ist man inzwischen Meister im Ideen-Klau. Der schwedische Möbelriese Ikea hat die Zwerg-Trophäe schon erhalten - auch Tchibo und Rosenthal gehören zu den Schmäh-Preisträgern. Und gerade weil den schwarzen Zwerg mit Lügennase partout keiner haben will, ist er so ungeheuer wirkungsvoll: Allein schon das Gerücht, ein Plagiarius könne im Anmarsch sein, führt oft schon dazu, dass das beanstandete Produkt aus den Regalen verschwindet. "Effiziente Marktbereinigung" nennt man das in Solingen. Der kleine Zwerg richtet gegen Produktpiraterie manchmal mehr aus als die geballte Macht der Paragraphen.

Übrigens: Der vorlauteste Nachahmer, den das Museum für Ideen-Klau jemals hat auffliegen lassen, war ein deutscher Möbelhersteller: Der wollte mit seinen abgekupferten Stühlen sogar noch einen Design-Preis gewinnen. Da ließ der Zwerg nicht lange auf sich warten! Doch manchmal gibt es auch reuige Plagiatoren, die ein Einsehen haben und beteuern: "Wir wollten ja gar nichts kopieren, aber - uns ist einfach nichts eigenes eingefallen!" Das versteht der Mitmensch - der Jurist aber nicht!


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