Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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1. Oktober 1949 Volksrepublik China ausgerufen

Am 01. Oktober 1949 rief Mao Zedong die Volksrepublik China aus. Ursprünglich war der "große Steuermann" nicht mehr gewesen als ein wohlhabender Bauernsohn, der Angst hatte, nasse Füße zu kriegen…

Stand: 01.10.2020 | Archiv

01 Oktober

Donnerstag, 01. Oktober 2020

Autor(in): Isabella Arcucci

Sprecher(in): Caroline Ebner

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Caroline Ebner

Was wäre, wenn Mao Zedong seine Regenschuhe rechtzeitig bekommen hätte? 1911 wüten in der Stadt Wuhan die Revolutionstruppen, die den Kaiser stürzen wollen – und der 17-jährige Mao will dabei sein! Aber Wuhan ist im Oktober regnerisch, also, so befindet Mao, braucht er erstmal wasserfeste Schuhe, bevor es ans Kämpfen geht.

Maos milde Mama

Etwas zimperlich, für einen Bauernsohn. Doch Maos Familie gehört nicht zur Schicht der geschundenen, von Großgrundbesitzern ausgesaugten Landarbeiter. Die Maos besitzen in dem kleinen Dorf Shaoshan einen sogenannten Vierseiten-Hof mit glasierten Ziegeln und eigenem Land. Der Vater, ein harter Mann und ehemaliger Provinzsoldat, betreibt einen florierenden Getreidehandel. Aber Zedong liebt vor allem seine sanfte, gutmütige, tief religiöse Mutter. Mao wird später voller Zuneigung von ihr sprechen– und während der Kulturrevolution die buddhistischen Tempel niederbrennen lassen, die ihr so heilig waren. 

Es sind harsche Zeiten, die den Charakter des jungen Zedong formen. Das frühe 20. Jahrhundert in China ist eine Epoche des Aufruhrs. Innere Unruhen haben das Reich der Mitte geschwächt und die westlichen Großmächte und Japan gewinnen immer mehr die Kontrolle über das Land.

Die Macht kommt aus Gewehrläufen

Zedong bricht bald die Schule ab, hilft seinem Vater den Hof zu bewirtschaften und wird mit 14 Jahren verheiratet. Seine Braut ist bereits 18. Zedong ist sie egal. Er liebt nicht, er liest! Sein Cousin steckt ihm ein Buch zu mit dem Titel: "Warnende Worte an ein Zeitalter des Überflusses". China darf nicht vom Westen verschlungen werden! China braucht moderne, westliche Wissenschaften und vor allem: eine parlamentarische Regierungsform.

Das ist die eindringliche Botschaft des Textes. Zedongs Kampfgeist ist erwacht! Er setzt sich gegen den Vater durch, verlässt Dorf und Hof und geht auf eine Schule, die das "Wissen aus dem Westen" lehrt. Sein Lieblingsfach wird Geschichte. Napoleon, Katharina die Große, Washington - das sind seine Idole! Und der Bauernjunge beginnt zu ahnen: die Sanftheit seiner Mutter wird ihm nicht zu der Macht verhelfen, von der er träumt. "Die politische Macht", so Mao später, "kommt aus den Gewehrläufen!" Deshalb muss er nach Wuhan und bei den Revolutionstruppen mitmischen! Aber die Suche nach Regenschuhen dauert zu lange. Chinas letzter Kaiser dankt ab, bevor Zedong auch nur einen Schuss abfeuern kann.

Was, wenn der noch kampfunerfahrene Junge seine Regenschuhe früher bekommen hätte und im Kugelhagel umgekommen wäre? Mao hätte sich nie zum Führer der Kommunisten aufgeschwungen und zahllose junge Kameraden zu Tode gefoltert, um seine eigene Macht in der Partei zu sichern. Und er hätte nicht, nach Jahren des erbitterten Bürgerkriegs, am 1.Oktober 1949 auf dem Platz des himmlischen Friedens in Peking die Volksrepublik China ausgerufen und damit seine eigene Herrschaft. Eine Herrschaft der Misswirtschaft, die Mao fast drei Jahrzehnte durch Folter und Ermordungen aufrecht erhielt und die schätzungsweise 76 Millionen Menschen das Leben kosten sollte.


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