Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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11. Juni 1955 Unfall bei 24-Stunden-Rennen von Le Mans

Es war der schlimmste Unfall in der Geschichte des Motorsports. Am 11. Juni 1955 verwandelt sich die Tribüne beim 24-Stunden-Rennen von Le Mans in ein Inferno. Erst Jahrzehnte später klären sich die Ursachen. Autorin: Carola Zinner

Stand: 11.06.2019 | Archiv

11 Juni

Dienstag, 11. Juni 2019

Autor(in): Carola Zinner

Sprecher(in): Johannes Hitzelberger

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Frank Halbach

Die Menschheit will Helden, und sie bekommt sie auch. Der Aufwand ist enorm und das Ergebnis oft mäßig. 60 erwachsene Männer fahren mit 300 Stundenkilometern auf einer schmalen Piste immer im Kreis herum, einen Tag und eine Nacht, egal, ob es stürmt oder regnet. Am Ende sind sie wieder an genau derselben Stelle, wo sie gestartet sind. Wenn sie Glück haben.

Ein Inferno

"Le Mans" ist  eines der berühmtesten Autorennen der Welt. 24 Stunden - 13 Kilometer - immer im Kreis. Und: Le Mans - in Frankreich - ist der Ort, an dem sich am 11. Juni 1955 das schlimmste Unglück in der Geschichte des Motorsports ereignet hat.

Damals spukte der Krieg noch in den Köpfen herum. Einige der Wettkämpfer verkündeten bereits im Vorfeld, dass es hier nicht nur um sie selbst ging oder um ihr Team, sondern vor allem um die Ehre der Nation. Mike Hawthorn, der Star des englischen Jaguar-Teams, tat sich mit solchen Parolen besonders hervor. Er werde alles tun, versicherte er, um einen Sieg Deutschlands zu verhindern. Deutschland, das war in diesem Fall Mercedes mit dem legendären Rennwagen "Silberpfeil". Gesteuert wurde er von einem Franzosen, Pierre Levegh. Der lieferte Hawthorn auch tatsächlich im Rennen einen so spannenden Zweikampf, dass alle anderen Teilnehmer zu Statisten wurden. Doch dann, zwei Stunden nach dem Start - Hawthorn lag gerade vorne - knallte es plötzlich. Leveghs Silberpfeil schoss durch die Luft und landete in der Zuschauermenge, die sich direkt am Rande der Piste drängte. Trümmer flogen herum, an mehreren Stellen begann es zu brennen. In Sekundenschnelle verwandelte sich die Tribüne in ein Inferno.

Auf der Strecke ging währenddessen alles weiter, als wäre nichts geschehen. Stunden später - das Rennen lief immer noch - gab es eine erste Bilanz: 84 Tote, darunter auch Levegh, Hunderte von Verletzen. 

Mercedes, dessen Wagen allem Anschein nach die Katastrophe ausgelöst hatte, stieg daraufhin aus dem Rennen aus, das Team reiste sofort ab. Der überstürzte Aufbruch verstärkte den Verdacht, die Deutschen hätten den Treibstoff mit hochexplosivem Material versetzt, um die Autos schneller zu machen. Anders konnte man sich das Ausmaß des Unfalls einfach nicht erklären.

Einfach ausgebremst

Erst Jahrzehnte später ist dank eines alten Amateurfilms herausgekommen, was wirklich passiert ist. Man sieht, wie Hawthorns Jaguar an einem schmalen Streckenabschnitt ein anderes Fahrzeug überholt und direkt im Anschluss eine Vollbremsung hinlegt, um in die Boxen zu fahren. Der bedrängte Fahrer weicht aus und gerät dabei seinerseits Leveghs Silberpfeil in den Weg, der von hinten angebraust kommt und auf den Vordermann fährt wie auf eine Startrampe. Hawthorn hat die Konkurrenten im wahrsten Sinne des Wortes "auflaufen lassen". Beim anschließenden Boxenstopp soll er in Tränen ausgebrochen sein und sich für kurze Zeit zurückgezogen haben. Dann ging er wieder zur Tagesordnung über. Und auf der stand nur das eine Wort: Sieg.

Ein Foto zeigt Hawthorn, den Gewinner des großen Rennens von Le Mans 1955: Die Champagnerflasche in der Hand lächelt er in die Kameras der Reporter. Die Menschheit braucht schließlich ihre Helden.


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