Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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1. September 1979 Michael Endes "Die unendliche Geschichte" veröffentlicht

Einmal auf dem Rücken des Glücksdrachen Fujur durch die Lüfte reiten, die blühenden Wiesen von Fantásien unter sich, wie Atreju. Michael Endes "Unendliche Geschichte" macht diesen Namen weltbekannt. Mädchen wollen eine Frisur wie die Kindliche Kaiserin, alle einen freundlichen Steinbeißer zum Freund. Autorin: Katharina Hübel

Stand: 01.09.2022 | Archiv

01 September

Donnerstag, 01. September 2022

Autor(in): Katharina Hübel

Sprecher(in): Irina Wanka

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Susi Weichselbaumer

Neun Kilometer vor Rom liegt das Paradies. Ein verwunschener Olivenhain, in dem gemächlich Schildkröten an ihren Blättchen nagen, in dem geheimnisvolle Baumelfen in alten Stämmen wohnen und sich nur dem offenbaren, der an sie glauben mag und genug Fantasie für sie hat. Von all dem Zauber umgeben: die südländisch weiß getünchte Villa Einhorn. Zweite Heimat des Schriftstellers Michael Ende und Zufluchtsort in den 1970er Jahren.

Einfach weg

Ja, er war geflohen. Aus Deutschland, aus München, wo ihm alles zu eng wurde und er seine Zeit damit verbringen musste, sich in Talkshows und Zeitungsinterviews zu rechtfertigen. Dafür, dass er Jim Knopf geschrieben hatte. Eine fantastische Reise zu sich selbst. Doch genau das war auch Stein des Anstoßes: Fantastisch schreiben für Kinder, wie verantwortungslos! Die 68er-Generation erwartete anderes von einem zeitgenössischen Autor. Die politische Willensbildung, das Schulen der kritischen Denkkraft und die intellektuelle Auseinandersetzung mit der Gesellschaft. Dass Michael Endes Reise in die Fantasie keine geistige Flucht, vielmehr Auseinandersetzung mit der eigenen Identität und somit etwas sehr Reales für seine Leserinnen und Leser sein konnte, wollten nicht alle Kritiker gelten lassen.

Einfach Abstand

Ermüdet und ermattet von all den Diskussionen, die ihm die Zeit und den Schlaf raubten und seine Schreibkraft zum Erliegen brachten, flüchtete Michael Ende 1970 nach Italien.
In der Idylle der Villa Liocorno, der Villa Einhorn, seinem Arkadien, fand er zum Schreiben zurück.
Und trat den langen Gang nach Fantásien an, dem Land, das in "Die Unendliche Geschichte" entführen sollte.

Ein kleiner Junge namens Balthasar Bux flüchtet vor seinen Problemen in der Familie und in der Schule, in dem er Tage und Nächte durchliest, bis er schließlich sprichwörtlich von der Geschichte aufgesogen wird. Dort, in Fantásien, beginnt die Suche nach sich selbst - am Schluss kehrt er zurück in seine Realität. Das Buch spuckt ihn wieder aus, einen neuen Balthasar: sich seiner Gefühle und seiner Selbst bewusst, voller Tatendrang, das eigene Leben anzupacken.

Am 1. September 1979 erscheint "Die Unendliche Geschichte" im Thienemann-Verlag. Den Autor selbst hat das Buch, mit dem er auf der ganzen Welt schlagartig bekannt wurde, Jahre seines Lebens gekostet, denn Fantásien wollte ihm lange nicht sein Geheimnis offenbaren. Auch der Verleger musste sich in Geduld üben und sogar den Druck verschieben. Aber Michael Ende wusste: Die wahre Heldenreise geht nicht über Abkürzungen. Er folgte, wenn auch manchmal mit sehr viel Verzweiflung und Kopfzerbrechen, seinen Figuren, bis diese ihm ihre ganze Geschichte erzählt hatten. Und so können auch wir immer wieder auf Reise gehen: Mit dem jungen Krieger Atreju, der kindlichen Kaiserin und dem Drachen Fuchur. Wer weiß, was uns auf diesem Weg begegnet? Doch das ist eine andere Geschichte ...


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