Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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20. August 1882 Tschaikowskis Ouvertüre 1812 uraufgeführt

Tschaikowsky sah seine "Ouvertüre 1812“ skeptisch: Ein Auftragswerk mit viel Bumbum und Effekten. Heute ist sie ein in populären Konzerten viel gespieltes und bejubeltes Stück. Autor: Markus Vanhoefer

Stand: 20.08.2020 | Archiv

20 August

Donnerstag, 20. August 2020

Autor(in): Markus Vanhoefer

Sprecher(in): Ilse Neubauer

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Frank Halbach

Musik ist nicht nur eine Kunst, die Frieden schafft, ein Symbol für Völkerverständigung und zwischenmenschliche Harmonie. Es gibt Kompositionen, die verwandeln Konzertsäle in wahre Kriegsschauplätze. Ein Säbel- klirrendes Beispiel ist Franz Liszts "Hunnenschlacht". Genauso eindrucksvoll ist Ludwig van Beethovens "Wellingtons Sieg", in dem die Engländer über napoleonische Truppen triumphieren. Ja, bereits die Meister der Spätrenaissance ließen in für heutige Ohren wohlklingender Vokalpolyphonie feindliche Heere aufeinanderprallen. Siegreiche Fürsten wollten nun mal gefeiert werden.

Kanonendonner

"Das wird sehr laut und lärmend werden", schreibt Peter Tschaikowsky über ein musikalisches Schlachtengemälde, das alle anderen martialischen Kompositionen an Dynamik und Spezialeffekten übertrifft. "Festspiel-Ouvertüre, das Jahr 1812", kurz: "Ouvertüre 1812" lautet der Titel des großorchestralen Werks, das bei seiner Uraufführung am 20. August 1882 Moskaus Kreml-Mauern im wortwörtlichen Sinn zum Beben gebracht haben muss.

Da ziehen Militärkapellen umher, Gewehrsalven peitschen, die Artillerie feuert aus allen Rohren, orthodoxe Mönche intonieren heilige Gesänge, die zaristische Nationalhymne erklingt, und wenn im Finale die Glocken läuten, dann läuten sie, was das Zeug hergibt. 

Wie hochgerüstet Tschaikowskys Opus ist, zeigt ein Blick in die Partitur, die echte Kanonen verlangt, oder zumindest  "ein Instrument, das im Theater zur Simulation von Kanonenschüssen verwendet wird".

Ungeliebt und doch beliebt

Tschaikowskys"Festspiel-Ouvertüre" ist ein Auftragswerk. Es soll der feierlichen Einweihung der Moskauer Christ-Erlöser-Kathedrale einen angemessenen nationalistischen Rahmen verleihen.

Historischer Bezugspunkt, sowohl des neuen, spektakulären Kirchenbaus, als auch der Komposition, ist ein Ereignis, das bereits ein paar Jahrzehnte zurückliegt: der Sieg Russland über Napoleons "Grande Armée" im sogenannten "Vaterländischen Krieg" von 1812.

Damals waren sich die Truppen des Zaren und die des französischen Kaisers in der Nähe des Dorfes Borodino gegenübergestanden, etwas mehr als 100 Kilometer von Moskau entfernt. Die Schlacht bei Borodino ist ein blutiges und für beide Seiten verlustreiches Gemetzel. Die Zahl der gefallenen Soldaten wird auf circa 60.000 geschätzt.  Gleichzeitig markiert sie den Wendepunkt von Napoleons Russland- Feldzug. Die Franzosen sind so geschwächt, das sie ihren Eroberungskrieg nicht mehr gewinnen können. Borodino ist die Schlacht, die Tschaikowsky in seiner "Ouvertüre 1812" im musikalischen Breitwandformat wiederbelebt.

Peter Tschaikowsky hat sein kriegerisches Werk nicht besonders gemocht, er betrachtete es als lästige Auftragsarbeit ohne großen künstlerischen Wert, dennoch wird die ungeliebte Ouvertüre eine seiner erfolgreichsten Kompositionen werden. Einer besonderen Popularität erfreut sich die russische Kanonendonner-Symphonie in den USA. Dort hört man sie gerne am 4. Juli, wenn am amerikanischen Unabhängigkeitstag Feuerwerksraketen in den Himmel schießen.  


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