Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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12. März 2001 Taliban sprengen die Buddha-Statuen

Mit Panzern und Raketen hatten die afghanischen Taliban die Buddha-Statuen im Bamiyan-Tal beschossen. Am 12. März 2001 zündeten sie die letzte Sprengladung. Danach war ein unersetzbarer Kunstschatz zerstört.

Stand: 12.03.2010 | Archiv

12 März

Freitag, 12. März 2010

Autor: Herbert Becker

Redaktion: Thomas Morawetz

Wenn nach einem saftigen Ehekrach die Frau das Foto ihres Gatten in tausend Fetzen zerreißt, dann mag das für die Frau etwas Befreiendes, ja, vielleicht sogar Reinigendes haben; der Mann wird in ihrem Tun eher einen Akt der Barbarei beziehungsweise des Vandalismus sehen, vor allem aber eine bodenlose Gemeinheit. Gleichviel, aus welcher Warte man es betrachtet: Bilderstürmerei im engeren Sinne ist es nicht. Darunter nämlich versteht man keine willkürlichen und spontanen Handlungen sondern vielmehr solche, denen eine bestimmte Theorie zu Grunde liegt.

Klassische Fälle von Bilderstürmerei kennen wir aus der Zeit der Reformation. Im 16. Jahrhundert wurden in ganz Europa Altargemälde und Buntglasfenster, Steinskulpturen und Reliquienschreine, Schnitzereien aus Holz und Elfenbein, kunstvoll gestaltete Bü-cher und viele weitere Kunstschätze verbrannt, zertrümmert, eingeschmolzen und im Wasser versenkt, weil sie nach Ansicht radikaler Kirchenreformer dem Götzendienst Vorschub leisteten und die Gläubigen nur vom wahren Gottesdienst abhielten.
Schließlich, so argumentierten etwa Hus, Zwingli und Calvin, heiße es im Zweiten Gebot, man solle sich kein Gottesbild machen. Standpunkte wie denjenigen Martin Luthers, der meinte, dass wir "nichts ohne bilde denken noch verstehen können" ließen sie nicht gelten.

Ganz ähnlich war es im Islam. Obwohl vom Koran nicht ausdrücklich verfügt, galt hier von Anfang an ein strengeres Bilderverbot als im Christentum. Es leitet sich aus der 112. Sure des heiligen Buches ab, in der es heißt: "Der ewige Gott zeugt nicht und wird nicht gezeugt, und keiner ist ihm gleich". Obwohl sich das Verbot auf figürliche Darstellungen generell erstreckt, tauchten in der islamischen Kunst zu allen Zeiten Abbildungen von Menschen und Tieren auf. Im schiitischen Persien blühte die Miniaturmalerei, in der sunnitischen Türkei erfreute man sich an den Streichen von Karagöz, einer populären Figur aus dem traditionellen Schattenspiel, und an den Höfen der indischen Moghulkaiser erwuchs aus der Zusammenarbeit islamischer und hinduistischer Künstler eine Stilrichtung, die das Größte aus zwei Kulturen vereinte. Es waren immer die besten Zeiten, in denen solche Toleranz herrschte und jeder den anderen seinen Gott auf die Weise verehren ließ, die ihm be-hagte. Leider traten regelmäßig Eiferer auf, die derartige Freigeisterei nicht hinnehmen wollten und lieber alles kaputt schlugen, als etwas zu dulden, was nicht in ihr Denkschema passte.

Dass wir die Talibankämpfer unserer Tage getrost zu diesen Eiferern rechnen dürfen, haben sie mit der Sprengung der größten frei stehenden Buddhastatuen der Welt bewiesen. Anfang des Jahres 2001 hatte ihr Führer Mullah Mohammed Omar in einem religiösen Gutachten die Vernichtung der rund 1500 Jahre alten Statuen im afghanischen Bamiyan-Tal angeordnet. Also begannen sie ungeachtet weltweiter Proteste mit Panzern und Raketen auf die Figuren zu feuern. Nach Wochen des Beschusses brachten sie die finale Sprengladung an, und am 12. März 2001 war das zerstörerische Werk vollendet.

Ein typischer Fall von Bilderstürmerei? Genau genommen nicht. Zwar war das Handeln der Taliban weder spontan, noch fehlte eine theoretische Rechtfertigung, doch im wissenschaftlichen Sinne bezeichnet das Wort Ikonoklasmus, also Bilderstürmerei, die Zerstörung, Entfernung oder Entweihung von Bildwerken, die der eigenen Religion heilig sind. Geht es um fremde Werke, Symbole oder Attribute, spricht man von Kulturvandalismus.

Vielleicht ist das Wortklauberei. Denn wenn man Fotos von den jungen, schwer bewaffneten Männern sieht, die mit rohen, unwissenden Gesichtern vor den leeren Grotten von Bamiyan posieren, stolz darauf, unersetzbare Kunstschätze vernichtet zu haben, dann ist die Sorge, man könnte für diesen Wahnsinn das falsche Wort gebrauchen, die geringste, die man hegt. Viel lieber würde man die Fotos nehmen und sie vor Wut in tausend Fetzen reißen. 


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