Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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28. Oktober 1960 Spion Alfred Frenzel verhaftet

Die Wissenschaft kennt verschiedene Gründe, warum jemand Spion wird. Beim SPD-Bundestagsabgeordneten Alfred Frenzel war es die sprichwörtliche „Leiche im Keller“. Am 28. Oktober 1960 flog er öffentlich auf. Autor. Thomas Grasberger

Stand: 28.10.2020 | Archiv

28 Oktober

Mittwoch, 28. Oktober 2020

Autor(in): Thomas Grasberger

Sprecher(in): Andreas Wimberger

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Frank Halbach

„Augen auf bei der Berufswahl!“ – dieser Ratschlag mag durchaus gut gemeint und in vielen Fällen auch sehr sinnvoll sein. Aber es gibt Situationen im Leben, da geht dieser Tipp ins Leere. Weil der Beratene vielleicht gar keine Wahl hat. Oder weil der Beruf, um den es geht, nicht mit herkömmlichen Maßstäben zu greifen ist. Spion zum Beispiel ist so eine Tätigkeit, die man in der Regel nicht mit einem Berufsberater von der Arbeitsagentur durchplanen kann.

Geheimtreffen in Bonn

Wie aber wird jemand zum Spion? Entweder wird er oder sie vom Nachrichtendienst des eigenen Landes angeworben, um anderer Leute oder Staaten Geheimnisse auszuforschen. Oder fremde Geheimdienste fragen freundlich nach. Und er oder sie sagt Ja. Aber warum? Die Wissenschaft kennt vier Hauptmotive dafür:

Erstens: wegen Geld.

Zweitens: aus ideologischer Überzeugung.

Drittens: um das eigene Ego aufzupolieren. Oder...

Viertens: durch Zwang! Zwang war schon immer ein sehr beliebtes Mittel, um Spione anzuwerben. Da hat jemand ein kleines oder größeres Geheimnis im Privatleben, also eine „Leiche im Keller“, und schon kann man ihn einschüchtern, bedrohen, erpressen.

So war es zum Beispiel bei Alfred Frenzel, der am 28. Oktober 1960 verhaftet wurde, mitten im deutschen Bundestag in Bonn. Alfred Frenzel war nämlich SPD-Abgeordneter und hatte gerade noch eine engagierte Rede gehalten. Wenige Minuten später konfrontierte ihn der Generalbundesanwalt höchstpersönlich mit brisanten Dokumenten: Es war Material über die Bundeswehr und über Pläne der NATO. Diese Unterlagen hatte Frenzel wenige Tage zuvor einem Staubsaugervertreter übergeben, der in Wirklichkeit ein Agent des tschechoslowakischen Geheimdienstes war. Die bundesdeutschen Dienste hatten diese Übergabe in der Bonner Innenstadt genauestens beobachtet.

Die Partei hat immer recht

Frenzel war sofort geständig. Jahrelang schon hatte er für die tschechoslowakische Staatssicherheit spioniert. Denn die hatte ihn einst mittels Erpressung rekrutiert. Als Sudetendeutscher lebte Frenzel bis 1938 in Böhmen, war als junger Mann Mitglied der Kommunistischen Partei und hatte einige…Unebenheiten in seinem Lebenslauf: Kokainschmuggel zum Beispiel, oder finanzielle Unregelmäßigkeiten als Filialleiter einer kommunistischen Konsumgenossenschaft. Frenzel trat aus der KP aus und kam damit einem Rauswurf zuvor. Nach dem Krieg machte er Karriere in der SPD: erst im bayerischen Landtag, dann im Bundestag. Damals warf ein politischer Gegner Frenzel vor, seinen Lebenslauf geschönt zu haben: also ohne Kokain, und ohne KP-Mitgliedschaft. „Alles Lüge“, schrie Frenzel und schwor sogar einen Eid darauf.

Doch der tschechoslowakische Staatsschutz wusste es besser. Die Genossen hatten nichts vergessen. Und fingen bald schon an, ihn unter Druck zu setzen und als Spion zu verpflichten. Frenzel entschuldigte sich bei seiner Verhaftung damit, dass seine Tochter ja noch drüben im Osten sei. Dies war wohl nicht das einzige Motiv, denn Frenzel erhielt von den Ost-Agenten auch regelmäßig Geld. 1961 wurde er vom Karlsruher Bundesgerichtshof zu 15 Jahren Gefängnis verurteilt, gut fünf Jahre später begnadigt und in die Tschechoslowakei abgeschoben. Dort starb er 1968. Und wurde mit militärischen Ehren beigesetzt.


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