Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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23. April 1616 Shakespeare und Cervantes sterben doch nicht am selben Tag

Was für ein unheilschwangeres Datum: Zwei Genies – ein Todestag. Mit William Shakespeare und Miguel de Cervantes sterben am 23. April 1616 die zwei größten Dichter ihrer Zeit. Oder doch nicht? Statt eines Schicksalstags im Gefüge der poetischen Weltordnung steht am Ende menschliches Tüfteln am Kalender. Autorin: Justina Schreiber

Stand: 23.04.2025 | Archiv

23.04.1616: Shakespeare und Cervantes sterben doch nicht am selben Tag

23 April

Mittwoch, 23. April 2025

Autor(in): Justina Schreiber

Sprecher(in): Irina Wanka

Redaktion: Frank Halbach

23. April. Dieses Datum klingt erst einmal harmlos. So wie 17. September vielleicht. Gar nicht zu vergleichen mit Daten wie 01. Mai oder 24. Dezember! Aber mit dieser Marginalisierung wird man dem 23. April nicht gerecht. Vielleicht gebührt ihm sogar eine Spitzenposition im Kalender der wiederkehrenden Jahrestage. Dass ihn die UNO 1995 zum Welttag des Buches erklärt hat, weist schon in die richtige Richtung. Allerdings wird das Datum seither vor allem für pädagogische Zwecke instrumentalisiert. Nichts gegen Lesekampagnen und Büchergutscheine für Kinder! Es reicht nur nicht aus, den 23. April in seiner tieferen Bedeutung zu erfassen. Dieses Datum veranschaulicht nämlich, wie fragwürdig der Hype um gewisse „besondere“ Daten ist.

Göttliche Fügung?

Zahlenmystiker und -Mystikerinnen müssen jetzt ganz tapfer sein. Es mag zwar zunächst faszinierend wirken, dass die beiden größten Dichter ihrer Zeit, William Shakespeare und Miguel de Cervantes, am selben Tag gestorben sein sollen, und zwar am 23. April 1616! Handelte es sich bei dieser Koinzidenz etwa um eine göttliche Fügung oder gab es eine astrologische Superkonstellation? Weder noch. Dieser Fall oder Zufall ereignete sich, weil die menschliche Zeitrechnung im Vergleich zur kosmischen oder himmlischen Ordnung nichts als ein Flickwerk ist. Also bitte keine Überinterpretationen. Davon erzählt der 23. April. Seit alters her sind Korrekturen nötig, um das Ticktack der Messegeräte den Bewegungen der Sterne und Planeten anzupassen, dem jeweiligen Forschungsstand entsprechend. Ohne Schaltsekunden und Schaltjahre läge der April schon längst im Mai. Wie übrigens auch Shakespeares anders berechnetes Todesdatum eigentlich auf den 03. Mai 1616 fällt. Er lebte nämlich in „echt“ noch zehn Tage länger als sein spanischer Kollege, der Erfinder des „Don Quijote“.

Gestohlene zehn Tage Lebenszeit

Dass die beiden Dichter trotzdem dasselbe Sterbedatum haben, kam so: Papst Gregor XIII. verordnete im Jahr 1582 eine Kalenderreform, die das katholische Spanien selbstverständlich sofort umsetzte. So wurden hier auch Miguel de Cervantes ungefragt zehn hoffentlich weniger schöne Kalendertage ratzfatz aus seinem Leben gestrichen. Der Harmonie mit dem größeren Ganzen zuliebe. Denn der neue gregorianische Kalender, der sich heute ja international durchgesetzt hat, schafft den Anschluss an das natürliche Sonnenjahr viel besser als sein Vorläufer, der julianische Kalender. Trotzdem sah das reformierte England damals keinen Grund, wegen eines hinterherhinkenden Frühlingspunktes oder anderer astronomischer Feinheiten nach der Pfeife Roms zu tanzen. Man hielt am julianischen Kalender fest und nahm in Kauf, dass Shakespeare am selben Datum, aber nicht am selben Tag wie Cervantes das Zeitliche segnete. Wobei - um die Verwirrung noch zu steigern - Cervantes am 23. April 1616 vermutlich eh schon ein paar Stunden tot war. Das überlieferte Datum stammt nämlich von seiner Bestattungsurkunde. Auf jeden Fall waren seine irdischen Tage an diesem 23. April definitiv vorbei, anders als bei Shakespeare, der sich das Datum seines Todes aber auch nicht aussuchen konnte.


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