Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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26. Februar 1959 Säureanschlag auf Rubensgemälde

Philosophen sind oft nicht die besten PR-Strategen. Aber dachte sich Walter Menzl, als er am 26. Februar 1959 die Alte Pinakothek in München betrat?. Und berühmt wurde er auch nicht. Autor: Herbert Becker

Stand: 26.02.2018 | Archiv

26 Februar

Montag, 26. Februar 2018

Autor(in): Herbert Becker

Sprecher(in): Johannes Hitzelberger

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Frank Halbach

Man muss Walter Menzl nicht kennen. Vielleicht wäre es sogar das Beste, wenn er ganz und gar in Vergessenheit geriete. Aber Herostrat ist ja auch nicht in Vergessenheit geraten...

Herostrat, das war jener ionische Ziegenhirt, der im 4. vorchristlichen Jahrhundert den Artemistempel von Ephesus in Brand gesetzt hat, nur um seinen eigenen Namen unsterblich zu machen. Nun war er ja insofern erfolgreich, als man diesen Namen bis auf den heutigen Tag kennt; man sich fragt allerdings, was einer davon hat, wenn zwar nach zweieinhalb Jahrtausenden noch gelegentlich die Rede von ihm ist, man ihn aber grundsätzlich nur als geltungssüchtigen Idioten erwähnt.

Eigentlich sollte ein Dürer dran glauben

Zurück zu Walter Menzl. So weit bekannt, wollte er weniger seinem Namen unsterblichen Ruhm verleihen, als vielmehr seine Philosophie unter die Leute bringen. Ja, doch, Menzl war Philosoph ... jedenfalls glaubte er, ein philosophisches System entwickelt zu haben, das die Menschheit einen großen Schritt voranbringen würde. Sein Hauptwerk trägt den Titel "Die Totalschau des Universums"; darin erklärt er in acht so genannten Thesen nichts Geringeres als "die Welt". Da das Oeuvre bei weitem nicht die Beachtung fand, die sein Urheber sich wünschte, suchte er nach geeigneten Mitteln, dafür zu werben.

Jetzt hat zwar das Entwickeln wirksamer Marketingstrategien noch nie zum Kerngeschäft des Philosophen gehört, aber was Menzl sich einfallen ließ, das war so richtig daneben. Zuerst erwog er, den Bodensee rot zu färben. Vermutlich weil dem zu viele technische Schwierigkeiten entgegenstanden, sah er von dem Vorhaben ab und goss stattdessen eine Flasche acetonhaltiger Beize über ein Gemälde von unschätzbarem Wert. Eigentlich hatte er es, als er am 26. Februar 1959 kurz nach elf Uhr die Alte Pinakothek in München betrat, auf die "Vier Apostel" von Abrecht Dürer abgesehen; weil jedoch vor den Aposteln zu viele Betrachter standen, musste "Der Höllensturz der Verdammten" von Peter Paul Rubens dran glauben.

Drei Jahre Haft plus Schadenersatz

Er wähle diesen Weg – so erklärte Menzl in einem Brief, den er kurz vor der Tat an mehrere Münchner Zeitungsredaktionen verschickt hatte – um "für die Zukunft der Menschheit etwas Entscheidendes zu sagen." Was, das blieb offen, immerhin aber setzte er der Öffentlichkeit noch auseinander, dass es sich bei seiner Aktion um den "Ausbruch eines Geistes" handle. Hinterher werde das von ihm attackierte Gemälde einen historischen Wert besitzen, der den künstlerischen bei Weitem übersteige.

Das Gericht folgte dieser Argumentation nicht; es verurteilte Menzl zu drei Jahren Gefängnis sowie zur Zahlung von 800.000 D-Mark Schadenersatz. Gründe, ihm die Schuldfähigkeit abzusprechen, erkannte es offenbar keine – vermutlich zu Recht. Schließlich ist es schwer vorstellbar, dass jeder, der eine herostratische Tat begeht, geistesgestört ist. Noch viel weniger vorstellbar ist es allerdings, dass ein Herostrat jemals etwas zu sagen hatte, was für die Zukunft der Menschheit in irgendeiner Weise entscheidend gewesen wäre.


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