Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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8. März 1950 Rover Jet 1, erstes Rennauto mit Gasturbinenantrieb vorgestellt

Höher, schneller, weiter meint mitunter auch ein ganzes Stück gefährlicher. Zumindest am Anfang sind sie sich die Konstrukteure des gasangetriebenen Rover Jet 1 in Sachen Sicherheit… unsicher. Autor: Hellmuth Nordwig

Stand: 08.03.2018 | Archiv

08 März

Donnerstag, 08. März 2018

Autor(in): Hellmuth Nordwig

Sprecher(in): Hans-Jürgen Stockerl

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Susi Weichselbaumer

Das ist noch echter Lärm! Dagegen ist das Singen der Formel-1-Wagen eindeutig etwas für Weicheier. Obwohl, Gehörschutz trägt auch der Fahrer, der auf Youtube seinen Nachbau des "Rover Jet 1" vorführt. Der Pilot, könnte man ebenso gut sagen. Dieser Jet 1, das war nämlich das erste Auto mit Flugzeugantrieb. Und genauso klingt es auch. Wie eine startende Turboprop-Maschine. Sichtlich Musik in den Ohren des Bärtigen, der in dem Filmchen sein Gefährt mit Flugzeug-Sound durchs herbstliche Weinviertel lenkt.

Satter Sound

Entworfen haben dieses Modell Ingenieure der englischen Firma Rover. Die hat schon Anfang des 20. Jahrhunderts Automobile gebaut. Während des Zweiten Weltkriegs produziert sie dann Flugzeuge für die Airforce. Das ist zwar nur ein kurzes Intermezzo, aber die Gasturbinenmotoren der Flugzeuge lassen fortan auch die Autobauer nicht los. Da steckt Power drin, die man hört - und die wollen wir in einem Auto auch haben, beschließen die Entwickler.

Mit einem Automotor hat eine Gasturbine aber nicht viel gemeinsam. Die besteht aus Schaufelrädern, die sich enorm schnell drehen. Dabei müssen sie Temperaturen von weit über 1000 Grad Celsius aushalten. Bei normalen Metallbauteilen fliegen da nach kürzester Zeit die Fetzen. Aber geeignete Speziallegierungen sind rar nach dem Zweiten Weltkrieg. Außerdem hat noch nie zuvor jemand eine Turbine gebaut, die in ein Auto passt. Echte Flugzeugpower auf engstem Raum, und das mit minderwertigem Material - anfangs ist das nichts anderes als Russisches Roulette. Für die ersten Tests rekrutieren die Ingenieure denn auch lieber ledige Freiwillige. Eine gute Idee, wie die Versuchsprotokolle zeigen: "Motor explodiert", heißt es dort nicht nur einmal.

Gefährliche Fahrt

Nach ein paar Jahren ist es dann endlich soweit. Zwar müssen die Konstrukteure die Rücksitze des Autos opfern, um ihre Mini-Turbine unterzubringen. Dafür bauen sie ein Armaturenbrett wie im Flugzeugcockpit ein. Es ist ein schnittiges silbergraues Gefährt, das die Ingenieure höchstpersönlich Probe fahren. Am 8. März 1950 führen sie den Rover Jet 1 zum ersten Mal der Presse vor. Akribisch notieren die Journalisten: Von null auf hundert in 14 Sekunden! Spitzengeschwindigkeit 85 Meilen, 136 Kilometer in der Stunde! Und der Lärm: Er sei "weder exzessiv noch unangenehm". In der Tat zeigen Fotos, dass die Testfahrer, durch keinerlei Kopfbedeckung beeinträchtigt, sich ganz dem Fahrtwind und dem süßen Klang der Turbine hingeben.

Schon zwei Jahre später bringt es ein Nachfolgemodell auf 243 Kilometer in der Stunde. Trotzdem geht das Turbinenauto nie in Serie, obwohl reichlich Bestellungen bei Rover eingehen. Das könnte mit dem Treibstoffverbrauch zu tun haben. Denn da schneidet die Gasturbine ganz schlecht ab. Egal, ob sie mit Benzin, Paraffin oder Dieselöl betrieben wird - ein Liter Treibstoff reicht gerade mal für zwei Kilometer. Zweieinhalb, wenn es gut läuft. Dass Motor und Tank mehr als die Hälfte des Autos einnehmen, hat den Rover Jet 1 auch nicht attraktiver gemacht. Und es soll ja sogar Menschen geben, die nicht einmal die einzigartige Geräuschkulisse vermissen.


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