Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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3. September 1189 Richard Löwenherz zum König gekrönt (3.9.1189)

Um kaum einen englischen Herrscher ranken sich so viele Mythen und Legenden. In denen ist er stets der Held. Tatsächlich war Richard Löwenherz alles andere als besonders herzig. Auf seinen Kreuzzügen und daheim auf der Insel ging er brutal gegen seine Gegner vor. Autorin: Susi Weichselbaumer

Stand: 03.09.2021 | Archiv

03 September

Freitag, 03. September 2021

Autor(in): Susi Weichselbaumer

Sprecher(in): Krista Posch

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Frank Halbach

Selbstdarstellerei ist wahrlich das Hauptgeschäft von dem Kollegen, vordere Mitte rechts, Großraumbüro. Der Kamerad nervt mit seinen Oden an die freudvoll ureigene Unfehlbarkeit. Dabei feiert er mehr Erfolge am Kicker im Aufenthaltsraum als am - ureigenen - Eckschreibtisch. Geschicktes Selbstmarketing nennt sich das Ganze. Gekannt haben das schon Kandidaten vor dem Kollegen. König Richard I. war so einer.

Selfmade Selbstdarsteller

Tatsächlich sind auch hier die Startbedingungen eher Großraumbüro. Richard ist - nur - Sohn Nummer drei von König Heinrich II. von England. Mama ist Eleonore von Aquitanien, wo Richard denn auch erzogen wird. Was er am Hof dort lernt, weiß keiner genau. Später gibt er sich aus als von den Troubadouren und deren Dichtung höchst beeinflusst und das von Schulkindesbeinen an. Als seine Brüder sich gegen den Vater stellen, weil der nicht sagen will, welchem der Söhne die effektive Herrschaft in was für einem der Gebiete dereinst dann wenn einmal zukommen werden wird, macht Richard mit. Papa Heinrich II. ist beleidigt. Die Männer der Familie führen Krieg gegeneinander und raufen sich so wieder zusammen. Vorrübergehend. Richard stichelt pausenlos, schließlich plagt man sich zurück aufs Schlachtfeld, Brüder sterben, der Vater auch. Am 3. September 1189 wird Richard Löwenherz in Westminster gekrönt: Richard I., König von England.

Posaunenklang hoch zehn

Pomp und Brimborium. Feierlichkeit. Jubel. Publikum. Richard lässt sich zelebrieren am Tag der Thronbesteigung. Und kaschiert damit, wie er da eigentlich hingekommen ist. An diesen Posten dessen, wessen Besitzungen in England und Frankreich ihn zum mächtigsten Mann der Zeit machen, gleich hinter Kaiser Friedrich Barbarossa.

Was er auch nicht öffentlich erwähnt, das Wetter auf der Insel geht im auf die Nerven. Die englische Sprache beherrscht King Richard - wie Historiker inzwischen belegen - kaum. Der Herrscher parliert auf Französisch und erklärt wortgewandt, warum er los muss - ins Abenteuer. Kreuzzug zur Rückeroberung Jerusalems von den Truppen des Sultans Saladin. Dagegen kann kein Untertan daheim etwas haben. Kreuzfahrer Richard wütet derart, dass man ihm den Beinamen „Löwenherz“ gibt. Er selbst wird das je nach Kontext auch als Kompliment deuten in Richtung warmherzige herzliche Großherzigkeit.

Das klägliche, graumausige Dasein daheim in England ein wenig aufhellen will derweil der kleine Bruder Johann. Der soll in der Abwesenheit des Großen die Insel verwalten und richtet es sich ein auf dem Thron. Heute würde man sagen: Er betreibt geschickte Netzwerkbildung. Richard darüber informiert bläst erbost den Kreuzzug ab, unterschreibt schnell einen Frieden mit Sultan Saladin, will zurück und dem kleinen Thronbesetzer gehörig Bescheid geben - gerät aber in Österreich in Gefangenschaft. Der gesamte europäische Adel hat genug von dem Selbstdarsteller Löwenherz, der Bündnisse wie Eheversprechen eingeht und bricht wie er lustig ist. Die Lösegeldforderungen sind immens, Johann hält ergo lieber das Zepter, als dem Großen die Hand zu reichen. Mama Eleonore schließlich verkauft alles, vom Staatswald über Lüster bis zum Silberbesteck, um ihren Buben frei zu bekommen. Was gelingt. England ist reichlich pleite, aber Löwenherz schafft es, sich zurück ins Herz seiner Untertanen zu quatschen. Als weiser, kluger, tugendhafter, höchst ritterlicher König der Herzen geht er in die Annalen ein. Wiederbelebt bis heute in jedem Robin Hood-Film.

Als strahlender Kreuzfahrer, der heimkehrt, um die Seinen von Not und Unrechtsherrschaft zu befreien. Selbstdarstellerei ist vielleicht doch kein so schlechtes Hauptgeschäft.


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