Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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15. April 1866 Richard Lepsius findet das Kanopus-Dekret

Am 15. April 1866 fand Richard Lepsius das sogenannte Kanopus-Dekret auf einer Stele in Tanis – und damit den Schlüssel zur Entzifferung der ägyptischen Hieroglyphen. Autorin: Isabella Arcucci

Stand: 15.04.2019 | Archiv

15 April

Montag, 15. April 2019

Autor(in): Isabella Arcucci

Sprecher(in): Hans-Jürgen Stockerl

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Frank Halbach

Karl Richard Lepsius war ein von Leidenschaft Besessener. Er studierte Sprachen, die keiner mehr sprach. Tote Sprachen. Doch für ihn, den preußischen Wissenschaftler und Altertumsforscher, waren diese Sprachen nicht tot, sondern lebten in seinem Kopf, seiner Phantasie.

"Sesam öffne Dich!"

Vor allem eine Sprache hatte es ihm angetan. Besser gesagt, ein Schriftsystem, das seit fast 2000 Jahren Rätsel aufgab: die altägyptischen Hieroglyphen! Lepsius‘ Zeitgenossen, dem Franzosen Champollion war es 1822 gelungen, einen Großteil der Zeichen zu entziffern -  Vögel, Füße, Schlangen und Hände. Doch es blieben viele Fragen offen, was Grammatik und Wortbedeutung anging. Erst Karl Richard Lepsius gelang der Durchbruch: er knackte den Hieroglyphencode! Ein riesiger Schritt für die Wissenschaft. Für Lepsius selbst aber muss es sich angefühlt haben, wie ein Märchen aus 1001 Nacht, als er 1842 seine erste mehrjährige Ägyptenexpedition im Auftrag des preußischen Königs antrat. So wie bei Ali Baba, auf dessen "Sesam öffne dich!" sich die geheime Schatzkammer auftut, so öffneten sich vor Lepsius staunenden Augen die längst vergessenen und verschütteten Grabkammern der Pharaonen. Und was er im flackernden Schein seiner Lampe sah, das konnte nur er verstehen! Der 32 Jährige Karl Richard Lepsius war der erste Mensch seit 2000 Jahren, dem die prächtigen Hieroglypheninschriften an den Lehmwänden ihre Geheimnisse anvertrauten. Die Zeichen wisperten und raunten ihm zu. Sie erzählten von einer lang versunkenen Kultur. Von prächtigen Festgelagen, bei denen die Damen schmelzende Duftkegel aus Wachs im Haar trugen, deren Wohlgeruch die Räume durchströmte, von üppig blühenden Palastgärten und von göttlichen Herrschern, deren mumifizierte Körper Lepsius gleichsam frohlocken und schaudern ließen.

1500 Fundstücke brachte Lepsius mit Erlaubnis Muhammad Alis, des Regenten von Ägypten, heim nach Preußen. Bis heute sind sie als Exponate im Neuen Museum in Berlin zu bestaunen.  Lepsius Leidenschaft ließ ihn Zeit seines Lebens nicht los.

Der Untergang einer Hochkultur

Mit 56 Jahren machte er sich erneut auf zu einer Expedition durch die glutheiße Wüste Ägyptens. Am 15. April 1866 entdeckte er unter Sand, Staub und Ruinenschutt eine Stele mit einer Inschrift in Demotisch, einem altägyptischen Dialekt und in Altgriechisch. Es handelte sich um das sogenannte Kanopus-Dekret, welches ägyptische Priester im Jahr 238 v. Chr. verfasst hatten. Darin wurde unter anderem eine neue Kalenderordnung mit einem alle vier Jahre wiederkehrenden Schaltjahr festgelegt und der Pharao Ptolemaios III. und seine Gattin Berenike als "Ernährer des Landes" gepriesen. Doch diese Stele kündete auch vom beginnenden Verfall des ägyptischen Reiches. Bereits Ptolemaios und Berenike gehörten der makedonisch-griechischen Dynastie der Ptolemäer an, die Ägypten seit 332 v. Chr. beherrschte. Nicht mehr lange und Ägypten würde in römische Hände fallen und seine antike Hochkultur im Wüstensand versinken. So tief, dass nur ein von Leidenschaft Besessener die Kraft aufbringen konnte, sie wieder empor zu heben.


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