Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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7. Mai 1964 Raketenvorführung zu Zwecken der Postbeförderung verunfallt

Briefe verschicken, und zwar zack-zack – heute geht das mit Email. Dereinst musste man sich was einfallen lassen. Wie Gerhard Zucker. Der entwickelte eine Rakete zur Postbeförderung. Erfolglos. Autor: Hellmuth Nordwig

Stand: 07.05.2019 | Archiv

07 Mai

Dienstag, 07. Mai 2019

Autor(in): Hellmuth Nordwig

Sprecher(in): Ilse Neubauer

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Susi Weichselbaumer

Frühjahr 2016, Chiemgauer Alpen: Eine Drohne bringt Medikamente auf eine Alm in 1.200 Metern Höhe. Und "kurzfristig benötigte Sportartikel", was auch immer das sein soll. Der Chef des Logistikunternehmens diktiert Reportern in den Notizblock: "Wir sind weltweit die Ersten, die eine Transportdrohne für einen Endkundenzugang einsetzen können." Was nicht stimmt aber gleichwohl unkritisch abgedruckt wird, doch das nur nebenbei.

Vielleicht hat der Drohnen-Enthusiast sich ja Gerhard Zucker zum Vorbild genommen. Der schrieb schon Jahrzehnte zuvor ebenso unbescheiden: "Als 24jähriger konstruierte ich die damals 1. große Rakete der Welt." Auch das war falsch - aber immerhin blieb dieser Satz in einem englischen Schulheft verborgen, bis zum Internetzeitalter.

Zucker wars!?

Gerhard Zucker stammte aus dem Harz und stellte dort Butter und Harzer Käse her. Vielleicht ging ihm das zu langsam, jedenfalls faszinierten ihn pfeilschnelle Raketen wesentlich mehr. Die gab es damals, Anfang der 1930er-Jahre, hauptsächlich für das Feuerwerk. Aber es wurde viel geforscht für die Zukunft: Manche träumten davon, Raketen unter Züge zu schnallen, andere wollten Schiffe mit ihnen absausen lassen, und Gerhard Zucker plante, Post auf einsame Inseln zu bringen. Die Drohne lässt grüßen.

Die Idee einer Postrakete lag buchstäblich in der Luft. 1931 gelang es Friedrich Schmiedl in der Steiermark mehrmals, Briefe mit einer Rakete von einem entlegenen Gebirgsdorf aus zum nächsten Postamt zu schießen. Die österreichische Post war aber wenig begeistert. Zucker beschloss deshalb, nicht mit Schmiedl zu arbeiten, sondern seine Postrakete lieber allen vorzuführen, die kurz darauf in Deutschland an die Macht kamen. Ein Flop: Feixend verfolgten die Braunhemden, wie das Geschoss sich bei Cuxhaven nach 15 Metern in den Sand des Wattenmeers bohrte. Nicht besser ging es dem selbst ernannten Raketenpionier kurz darauf in England.

Dort konnte er allerdings geltend machen, dass die Nazis leider den Export des richtigen Raketentreibstoffs verboten hätten. Nicht einmal das Schmiermittel für die Startrampe sei zu bekommen.

Zucker schmierte mit Butter.

Einmal muss es doch.. !?!?!

Trotz vieler Versuche glückte der Start einer Postrakete kein einziges Mal. Wohl aber die Finanzierung: Zucker ließ Fantasiebriefmarken drucken und stempelte sie auch gleich selber ab. Die Briefe kamen ins Innere der Rakete, und was die Bruchlandungen überlebte, gab er kurzerhand bei der richtigen Post ab.

Nach dem Krieg setzte Gerhard Zucker seine Experimente wieder in Deutschland fort. Bis zum 7. Mai 1964. Da explodierte eine Rakete bei einer Vorführung, die Trümmer zerfetzten zwei Schüler. Seitdem sind private Raketen hier zu Lande verboten.

Für die Post und ihre "Endkunden" also doch lieber Drohnen? Besser nicht. Anfang 2019 stürzte eines der Luftgefährte in den Zürichsee. Die Schweizerische Post hat Versuche mit Drohnen daraufhin eingestellt. Und nachdem es auch mit den Raketen nicht geklappt hat, bringt weiterhin der gute alte Briefträger die Post.


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