Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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13. November 1907 Paul Cornu gelingt erster Flug mit dem "Fliegenden Fahrrad“

Über den Wolken… da muss man erstmal hinkommen und im besten Fall auch oben bleiben. Paul Cornu versuchte das mit dem Radl. Autor: Thomas Grasberger

Stand: 13.11.2018 | Archiv

13 November

Dienstag, 13. November 2018

Autor(in): Thomas Grasberger

Sprecher(in): Ilse Neubauer

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Susi Weichselbaumer

Der ethisch bewusste Konsument der nördlichen Hemisphäre hat es heutzutage nicht leicht. Permanent plagt ihn ein schlechtes Gewissen. Weshalb er das ganze Jahr über auf Plastiktüten verzichtet, peinlich genau seinen Müll trennt, Gemüse aus Bio-Anbau kauft und Schokolade aus fairem Handel; und selbstverständlich kommt auf seinem Teller höchst selten eine tote Sau zu liegen, sondern meistens nur ein Schnitzel aus Sau-Bohne. All die Ver- und Entsorgungsfahrten zur Erhaltung seiner ökologisch prekären Existenz erledigt der ethisch bewusste Konsument natürlich mit dem Fahrrad. Und das elf Monate im Jahr. Im zwölften aber ist plötzlich alles anders. Da ist Ferienzeit – Urlaubszeit – und Achtung, jetzt kommt´s – horribile dictu! Flug-Reisezeit!!!!

Über den Wolken…

Mit einem einzigen Fernflug nämlich ruiniert sich unser ethisch bewusster Konsument die Bilanz eines gesamten Jahres. Klimagase, Erderwärmung, Lärm und Schadstoffe! Aus seinem schlanken ökologischen Fußabruck wird binnen weniger Stunden der verheerende Krater eines Siebenmeilenstiefels, der im Wahn unbegrenzter Mobilität den Planeten rundherum kaputt stampft. Vorbei der Traum vom ökologischen Ablasshandel! Erneut droht für ein ganzes Jahr die Hölle des schlechten Gewissens, dauerhaft befeuert von den Weissagungen irgendwelcher indianischer Häuptlinge und den Weltuntergangsberichten globaler Erwärmungsstudien. Dabei wäre es doch so einfach … wenn sich unser ethisch bewusster Konsument der nördlichen Hemisphäre nur einmal kurz an den 13. November des Jahres 1907 erinnerte.

Mim Radl do. Und woanders auch.

Damals gelang eine – ja, an dieser Stelle sei der Begriff ausnahmsweise erlaubt – eine echte Revolution. An jenem Herbsttag hob nämlich der französische Ingenieur Paul Cornu von der Erde ab. Und zwar mit einem Hubschrauber. Das heißt, nicht mit irgendeinem, nein, es war der erste bemannte Hubschrauber der Weltgeschichte, der sich – ganz ohne fremde Unterstützung –  über den Boden der Gemeinde Lisieux in der Normandie erhob.

Und weil Herr Cornu sein Gerät selbst gebaut hatte, hörte es auch auf seinen Namen: "Cornu Nr. II" war 260 Kilogramm schwer und hatte einen V8-Ottomotor, der mit einer Leistung von 24 PS zwei gegenläufige Drehflügel antrieb.

Aber das alleine machte das Wunderwerk nicht aus. Das Entscheidende waren die Tretpedale und die menschliche Muskelkraft. Paul Cornu war nämlich eigentlich Fahrradhersteller. Und so war sein bemannter Drehflügler in Wahrheit ein fliegendes Radl. Leider erwies sich das als nicht steuerbar. Herr Cornu musste nach ein paar Versuchen sein ambitioniertes Flugunternehmen wiedereinstellen. Sehr zum Leidwesen von uns heutigen, ethisch bewussten Konsumenten. Ach, man stelle sich nur einmal vor: Eine ökologisch korrekte Flugreise, nahezu aus eigener Kraft! Was für eine Erleichterung unseres Gewissens! Nun gut, Herr Cornu schaffte damals nur eine Höhe von 30 Zentimetern, bei einer Flugzeit von 20 Sekunden. Aber egal. Für ein kurzes Hüpferchen zu bodennahen Destinationen würde der Tret-Radl-Flieger allemal reichen. Und schließlich wollten wir ja eh keine Fernreisen mehr machen. Oder?


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