Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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8. November 1925 Otto Feick erhält Patent auf Rhönrad

Bändertanz. Stufenbarren. Ballgymnastik. Sachen, die man sportlich machen kann. Aber nicht muss. Als Mann schon gar nicht. Genauso wie Rhönrad. Obwohl – erfunden hat das keine Sie, sondern ein Er! Autorin: Julia Zöller

Stand: 08.11.2019 | Archiv

08 November

Freitag, 08. November 2019

Autor(in): Julia Zöller

Sprecher(in): Johannes Hitzelberger

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Susi Weichselbaumer

Kleine Stadtmädchen, die in kleinen Stadtwohnungen groß werden, wünschen sich erstaunlich häufig Pferde. Keine Mäuse, Sittiche oder sonst ein Vieh, das auf 70 Quadratmetern noch unterzubringen wäre, nein: Ein Pferd muss es sein.

Gefühlt sind es genau DIESE Mädchen, die später in der Sing- und Musikschule statt der zierlichen Blockflöte lieber Tuba lernen. Und schließlich setzen sie mit zwölf noch eins drauf und entscheiden sich unter 999 Sportarten AUSGERECHNET für´s: Rhönradturnen.

Auf die Größe kommt es an!

Das Rhönrad: Aussehen: Hamsterrad für sportliche Menschen, Material: Stahl, Gewicht: ab 20 Kilo aufwärts. Für die Familie dieser Mädchen ist es  jetzt an der Zeit auf´s Land zu ziehen, dann sind Pferd, Tuba und Rhönrad auch in ihrer natürlichen Umgebung.

Gerade das Rhönrad ist ausgesprochen gern an der frischen Luft. Es war ja mal, vor gut hundert Jahren, ein doppelter Fassreifen, ein grobes, selbst zusammengebasteltes Ding, mit dem ein wilder Kerl die Hügel hinabrollte. Otto Feick, ein junger Mann mit Moustache, aus Reichenbach in der Pfalz, hat es Anfang des 20. Jahrhunderts erfunden, nach der Devise: wenn schon nicht im Fass die Niagara-Fälle runter, dann wenigstens mit Fassreifen die Hänge in der Pfalz.

Pfalz-Roller

Einen Weltkrieg später, so die Legende, saß der Pfälzer Feick in französischer Haft, erinnerte sich an seinen jugendlichen Übermut, und – das ist nicht Legende – entwarf das erste richtige Rhönrad. Rhön, weil er dort – konkret in Schönau an der Brend – später mit seiner Frau wohnte. Am 8. November 1925 bekam Otto Feick, das Patent für sein metallenes Reifen-Turn-und Sportgerät, mit dem er fortan werbewirksam und zunehmend elegant öffentlich herumrollte. Auf Sportplätzen, vor Medizinern, schließlich in Begleitung einer Turntruppe durch Europa und schließlich bis nach Amerika. Noch heute heißt das Rad  in den USA nicht "Rhönrad", sondern: German Wheel.

Trotz des damals großen Erfolges, Feick soll in seiner Schlosserei 20.000 Stück gebaut haben, ist das Rhönradturnen heute eine Randsportart. Kann an den 20 bis 40 Kilo Stahl liegen: Stichwort Pferd, Stichwort Tuba, liegt aber auch an den Nazis. Ein deutsches Patentrad, auf dem gut durchtrainierte Männer und Frauen synchron herumrollen, passte den Organisatoren der Olympischen Spiele 1936 in Berlin derartig gut ins arische Weltbild, dass sie gleich 120 Rhönradturner buchten. Bilder die wirken und die Otto Feick die Karriere kosteten. Abgesehen davon dass die Menschen nach dem Krieg anderes zu tun hatten als sportlich herumzurollen: das Rhönrad wurde sein Nazi-Image lange nicht mehr los. 1959 starb sein Erfinder verarmt in seiner Heimat, der Rhön.

Sein Andenken pflegen Mädchen. Mädchen in elastischen Glitzeranzügen mit strengen Frisuren und starkem Willen. Ihre Kraft sieht man ihnen nicht an. Kraft zum Pferde bändigen und Tuba tönen. Denn nur mit viel Kraft und Körperspannung beginnt dieses höllenschwere Rhönrad nicht nur zu rollen, es kann auch kunstvoll kreiseln, schlingern und tanzen.


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