28. April 1967 Muhammad Ali verweigert den Kriegsdienst
Er verlor alle Titel und seine Profilizenz: Die Boxlegende Muhammad Ali lehnte öffentlich den Vietnamkrieg ab und verweigerte den Wehrdienst. 10.000 Meilen von zu Hause entfernt helfen, eine andere arme Nation zu ermorden, um die Vorherrschaft weißer Sklavenherren sichern zu helfen? Nein! Autor: Simon Demmelhuber
28. April
Montag, 28. April 2025
Autor(in): Simon Demmelhuber
Sprecher(in): Berenike Beschle
Redaktion: Frank Halbach
Wo er auftaucht, fällt Medienfutter ab. Starke Bilder, starke Sprüche sind absolut sein Ding. Und heute, am 28. April 1967, riecht es hundert Meilen gegen den Wind nach Hammerschlagzeilen: Muhammad Ali muss zur Musterung, der amtierende Boxweltmeister im Schwergewicht soll nach Vietnam. Dahin, wo die USA bereits im dritten Jahr mit Luftangriffen, Brandbomben und Entlaubungsgiften gegen kommunistische Guerillas kämpfen. Dass er die Einberufung einfach so schluckt, ist unwahrscheinlich. Was und wie Muhammad Ali über den Militäreinsatz denkt, weiß jeder: Sein Krieg, sagt er, findet nicht in Südostasien statt. Sein Krieg ist hier, daheim vor der Haustür, wo schwarze Amerikaner noch immer gegen Rassismus, gegen Polizeigewalt und Ausgrenzung kämpfen. Hier, wo ihnen das weiße Amerika noch immer Würde, Selbstbestimmung und Aufstiegschancen versagt.
„Gib nicht nach!“
Als Ali vor dem Musterungsbüro in Houston eintrifft, blockieren nicht nur Fernsehteams den Gehsteig. Auch Fans sind gekommen und schwören den Champ mit Zurufen ein: „Gib nicht nach, Muhammad, geh nicht nach Vietnam!“ Aber das hat er ohnehin nicht vor. Ali will nicht auf arme Teufel schießen, die um ihre Freiheit kämpfen. Er legt seine Gewissensnot sogar schriftlich vor, aber das interessiert hier niemanden. Er wird gewogen, vermessen, begrabscht, steht zuletzt mit allen Wehrtauglichen vor einer Linie auf dem Boden und spürt, wie sein Magen krampft.
Das ist der Moment! Der Moment, auf den er sich vorbereitet, den er immer wieder durchgespielt hat. Trotzdem ist er jetzt eingeschüchtert, steht schwitzend da, mit zitternden Schultern. „Cassius Clay, vortreten"! schnarrt eine Stimme.
Wer soll das sein? Cassius Clay heißt er schon lange nicht mehr, nicht mehr, seit er Muslim geworden ist. „Cassius Clay, vortreten!“ bellt die Stimme erneut. Ali rührt sich nicht. Er hat keinen Stress mit den Leuten in Vietnam. Warum sollte er Menschen töten, die er nicht kennt, die ihm nichts getan haben, die ihn niemals „Boy“ oder „Nigger“ nannten? „Clay! Vortreten!“ beißt die Stimme wieder. Doch Ali tritt nicht vor. Er steht da, zitternd und schwitzend, aber durch kein Gebell, kein Geschrei verrückbar.
Der Sportler des Jahrhunderts.
Nur Stunden später erkennt ihm der Weltboxverband sämtliche Titel ab, die Boxkommissionen der Bundesstaaten kassieren seine Kampflizenzen. Ein paar Wochen drauf verhängen texanische Richter zusätzlich fünf Jahre Haft und 10.000 Dollar Strafe, weil er gegen das Wehrgesetz verstoßen hat.
Der Volkschampion, der König des Rings ist tief gestürzt. Er darf nicht mehr boxen, wird als Feigling, Drückeberger, Verräter beschimpft. Endlich ist Zahltag, jubeln die, denen dieser Schwarze schon immer zu laut, zu frech, zu trotzig, zu klug, zu wenig dankbar und viel zu erfolgreich war. Endlich wird abgerechnet. Aber der Triumph dauert nicht lange. 1971 hebt der Oberste Gerichtshof die Urteile auf. Ali ist wieder da. Er holt sich den Meistertitel zweimal zurück, entzündet das Olympische Feuer in Atlanta, eine internationale Jury kürt ihn zum Sportler des Jahrhunderts.
Gut gemacht, Champ! Echt gut gemacht und ewigen Gedenkens wert!