Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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6. Oktober 1889 Das Moulin Rouge wird in Paris eröffnet

1889, im gleichen Jahr wie der Eiffelturm, öffnet im Vergnügungsviertel Pigalle "das berühmteste Varieté der Welt" seine Pforten: Das Moulin Rouge. Hier traten die berühmtesten Pariser Stars der Belle Époque auf, nicht wenige von ihnen auf Werbeplakaten von Henri de Toulouse-Lautrec verewigt. Autor: Markus Vanhoefer

Stand: 06.10.2022 | Archiv

06 Oktober

Donnerstag, 06. Oktober 2022

Autor(in): Markus Vanhoefer

Sprecher(in): Caroline Ebner

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Frank Halbach

Es ist der 6. Oktober 1889, als am Fuße des Pariser Montmartre-Hügels ein neuer Nachtclub seine Pforten öffnet. Sein Markenzeichen ist eine rote Windmühle, die auf dem Dach des Gebäudes errichtet ist.

Inbegriff des Parser Lebensgefühls

"Merken Sie sich den Namen dieses Ballsaals. Die Café-concerts werden diesen Orkan nicht überleben und andere Ballsäle werden uns von nun an ziemlich fade erscheinen", prophezeit eine Zeitung. Der anonyme Journalist wird recht behalten. Das "Moulin Rouge" wird zum Inbegriff für ein berauschtes, laszives Lebensgefühl, das als "la vie parisienne", als "süßes Pariser Leben", zum Klischee wird. Nirgendwo sonst feiert die "Belle Époque" so hemmungslos wie im "Etablissement" am sündigen Boulevard de Clichy.

Die Männer hinter dem Moulin-Rouge-Erfolg sind zwei alte Hasen im Unterhaltungsgeschäft, der Impresario Charles Zidler und Joseph Oller, er hat mit einer Pferderennbahn und einem von ihm erfundenen Wettsystem ein Vermögen verdient. Ihre Neueröffnung soll Maßstäbe setzten. Dass ihnen das gelingt, verdanken sie einem Spektakel, welches das Fin de siècle in erotische Raserei versetzt.

Die Show des Moulin Rouge beginnt zunächst konventionell: Akrobaten, Clowns und Musiknummern. Den frenetischsten Applaus erhält Joseph Pujol. Er ist Pétomane, das heißt "Kunstfurzer", der mit seinen Darmwinden Kerzen ausbläst und Melodien moduliert.

Das berühmteste Varieté der Welt

Doch dann, gegen 22 Uhr, kommt es zum Höhepunkt des Abends: Ein Orchester-Tusch. Die Cancaneuses, die Cancan-Tänzerinnen, stürmen auf die Tanzfläche: Gelupfte Röcke, fliegende Beine, entblößte Unterwäsche, ein Blick auf nackte Frauenschenkel. Um 1900 hat dies einen pornographischen Touch.
Der Cancan ist ursprünglich ein Tanz proletarischer Wäscherinnen. Seine Ekstase ist ungezügelt, wild und roh. Kultiviertes Ballett sieht anders aus. Das tut der Faszination keinen Abbruch. So gelten die Cancaneuses, allen voran die legendäre La Goulue, als Sex-Göttinnen ihrer Zeit. Adlige und Industrielle hoffieren sie, einfache Arbeiter beten sie an.
Einige der Mademoiselles mit den "beweglichen Hüften und der ebenso beweglichen Moral" lassen sich nackt fotografieren. Die Aktfotos gehen durch unzählige Männerhände. Das Pin-up-Girl ist keine Erfindung amerikanischer Hochglanz-Magazine.

Die prickelnden Cancan-Jahre des Moulin Rouge, so wie sie Stammgast Henri Toulouse-Lautrec auf seinen Gemälden verewigt hat, sind nicht von Dauer. Nach 1900 kommt der Tanz aus der Mode, konkurrierende Nachtclubs, die Charles Zidlers und Joseph Ollers Konzept kopieren, verderben das Geschäft.
Im Dezember 1902 schließt das Haus. Jedoch nicht für immer. Das Moulin-Rouge existiert bis heute und hat sich im Verlauf seiner Geschichte immer wieder neu definiert. "Le plus célèbre cabaret du monde ", "das berühmteste Varieté der Welt" ist ein Slogan, der bis ins 21. Jahrhundert hinein an Gültigkeit nicht verloren hat.    


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