Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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21. Mai 1881 Mother Seacole bekommt einen Nachruf in der London Times

Ein Jahr auf der Krim machte sie zur „Mother Seacole“ und zur Legende. Dabei wäre ihr Leben von Anfang bis Ende ein Kinofilm vom Feinsten: Eine mutige Frau aus Jamaika, die genau so Abenteurerin wie Geschäftsfrau, Heilerin und Krankenschwester war. Autorin: Anja Mösing

Stand: 21.05.2021 | Archiv

21 Mai

Freitag, 21. Mai 2021

Autor(in): Anja Mösing

Sprecher(in): Hans-Jürgen Stockerl

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Frank Halbach

Vielleicht hat sie sich wie ein Fisch im Wasser gefühlt: Genau am richtigen Ort!

Damals, mit ihren 50 Jahren und mitten zwischen all den Männern, die ihre Hilfe brauchten. Warum sonst hätte diese selbstbewusste Frau Jamaika freiwillig verlassen, nur um am Schwarzen Meer zu arbeiten? Mitten in einer Schlacht!

Arbeit fand Mary Jane auch zuhause. Und mehr als genug. Schon als Teenager lernte sie von ihrer Mutter, einer erfahrenen jamaikanischen Heilerin, wie man mit Heilkräutern Krankheiten lindern und Menschen gesund pflegen kann. Die Mutter betrieb in der Hauptstadt Kingston eine Art Kurhaus. Vor allem Soldaten, die an Tropenkrankheiten litten, ließen sich von ihr gesund pflegen.

Farewell, Jamaika!

Als Mary im Jahr 1805 geboren wurde, gehörte Jamaika noch zum United Kingdom und Sklavenhandel wurde erst wenige Jahre später verboten. Mit ihren kostbaren Rohrzucker-Plantagen war die Insel extrem wertvoll für die britische Wirtschaft. Darum waren dort allerhand Besatzungssoldaten stationiert. Marys Vater war einer von ihnen.

Als Tochter einer freien, farbigen Jamaikanerin und eines britischen Leutnants wuchs Mary für diese Zeit sehr privilegiert auf. Schon mit 16 reiste sie zum ersten Mal allein nach Europa, um in London Verwandte zu besuchen. Sehr untypisch für ein Mädchen vor rund 200 Jahren. Aber Mary reiste noch oft: auf die Bahamas, nach Haiti, nach Kuba und Panama. Unterwegs gründete sie kleine Läden und verkaufte Lebensmittel und Getränke. Und weil sie wie ihre Mutter eine Heilerin und Krankenpflegerin geworden war, bat man sie in Panama auch um Hilfe, als eine Cholera-Epidemie ausbrach. Ihre Ehe mit einem jamaikanischen Kaufmann dauerte nur acht Jahre. Als Witwe behielt sie seinen Familiennamen: Seacole.

Als Heilerin um die Welt

Als Mary Seacole Mitte des 19. Jahrhunderts erfuhr, dass auf der Krim, am Schwarzen Meer, ein Krieg tobte, in dem viele, auch britische Soldaten an der Cholera starben, reiste sie auf eigene Kosten nach London. Sie stellte sich beim Kriegsministerium vor, um ihre Dienste als Krankenpflegerin an der Front anzubieten.

Aber sie wurde abgelehnt. Auch von Florence Nightingales Krankenpflegerinnen-Team. Mary Seacole vermutete, dass es an ihrer braunen Hautfarbe lag.

Also schiffte sie sich einfach selbst auf einem holländischen Dampfer nach Konstantinopel ein. Wie sie mitten im Krimkrieg hinter der Front mit Einheimischen das „British Hotel“ aufbaute aus Treibholz, Eisenblechen und geborgten Fenstern und Türen; wie sie dort Verwundete versorgte und Cholerakranke; wie sie sich in leuchtend bunten Kleidern sogar auf dem Schlachtfeld um Soldaten aller Parteien kümmerte - all das fiel auf und wurde per Telegrafie bis nach London berichtet, an die Times. Denn zum ersten Mal gab es Journalisten mitten im Kriegsgebiet.

Ihr tapferer Einsatz machte sie als Mother Seacole berühmt.

Nach Kriegsende schrieb sie ihre Memoiren „Die wundervollen Abenteuer von Frau Seacole in vielen Ländern“. Das Buch wurde ein Bestseller. Und noch ein viertel Jahrhundert später, als sie in London starb, veröffentliche die Times einen kleinen Nachruf auf Mother Seacole: am 21. März 1881.


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