Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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19. Juli 1937 Quappi und Max Beckmann verlassen Deutschland

Das Ausland feiert ihn als Ausnahmekünstler - daheim im Deutschen Reich will ihn die NS-Führung bald nicht mehr haben. Max Beckmanns Arbeiten seien "Entartete Kunst". Und als solche müssen sie laut Regime weg. Lieber geht Beckmann gleich selber und verlässt mit seiner Frau Deutschland. Autor: Simon Demmelhuber

Stand: 19.07.2022 | Archiv

19 Juli

Dienstag, 19. Juli 2022

Autor(in): Simon Demmelhuber

Sprecher(in): Caroline Ebner

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Bernhard Kastner

Die Nazis mögen ihn nicht. Undeutsch ist das. Seelenloses Geschmier und Gekleckse. Alles kantig, schief und grell. Alles verrutscht auf diesen Bildern, als hätten Diebe eine Wohnung verwüstet. Und erst die breitbeinigen Selbstporträts: Der Kerl mit seiner Bulldoggenvisage! Glotzt dich an, kalt, mokant, frech von oben herab. Grad so, als wüsste er Sachen über dich, die besser niemand weiß.

Arrogant!

In Amerika, Frankreich, England ist Max Beckmann 1933 ein großer Name. Ausstellungen in Zürich, Basel, Paris, New York feiern ihn als deutschen Picasso, als Magier der Moderne. Daheim laufen die Dinge anders. Die Nazis mögen ihn nicht. Sie mögen auch viele andere nicht, aber Beckmann, den hassen sie. Farben, die wie Beilhiebe zupacken, Konturen wie Zornausbrüche, ein undurchdringlicher Bildverhau ohne Ordnung und Moral. Kunst aber kommt von Können, nicht von Krankheit. Das muss weg. Der muss weg. All das muss weg, einfach weg!

Also weg!

Erst hetzen und schreien sie nur: Die Straße frei! Dann ist der Chef der braunen Bataillone Kanzler, dann brennt der Reichstag, dann brennen die Bücher noch vor den Menschen. Was Kunst ist, bestimmt jetzt ein gescheiterter Postkartenpinsler. Einer, den die Angst umtreibt, dass man ihm doch noch draufkommt, einer, der im Innersten weiß, dass es bei ihm immer nur zum Wollen reicht und nie zum Tun. Deutsch will der die Kunst jetzt haben, weihetauglich, großphrasentauglich, ohne ästhetisches Restrisiko. Und vor allem seelenvoll, am besten knüppelhageldicht.

Beckmann mit seiner Zirkus- und Spelunkenkunst passt da nicht hinein. Sie bespucken und verhöhnen ihn, nehmen ihm die Professur, hängen seine Bilder ab, säubern die Museen, schweigen ihn tot. Beckmann zieht sich in sein Atelier zurück. Das gibt sich wieder, denkt er, das geht vorbei.

Es gibt sich nicht, geht nicht vorbei. Es wird schlimmer mit jedem Tag. Klappe halten, unsichtbar werden hilft nicht, wenn der Hass aus jeder Ritze steigt. Ringsum trumpft die Bosheit auf, die Wahrheit lernt das Flüstern, ausstellen kann er nicht mehr, verkaufen nur heimlich. Ab 1936 erwägen Max und Mathilde Beckmann, in die USA auszuwandern. Obwohl er kein Englisch spricht und beide lieber dableiben möchten, haben sie innerlich die Koffer gepackt. Fehlt nur der letzte Anstoß.

Den liefert der Diktator mit dem Zahnbürstenbart im Juli 1937 persönlich frei Haus. Mathilde und Max Beckmann verbringen den Sonntagabend in ihrer Berliner Wohnung Hohenzollernstraße 72. Der Rundfunk überträgt Hitlers Rede zur Eröffnung des Hauses der Deutschen Kunst in München. Berauscht von Rachlust, Sendungsgepluster und Schicksalstrara droht Deutschlands Totengräber allen Kunstverderbern, Kulturschändern, Klecksern und Schmieranten mit Zuchthaus und Sterilisation. Ab jetzt wird aufgeräumt, ausgemistet, jetzt wird zugeschlagen! Und alle spüren: der Hund kläfft nicht bloß, der beißt.

Am nächsten Morgen, dem 19. Juli 1937, beginnt in München die Pöbelausstellung "Entartete Kunst". Beckmann ist mit elf Bildern dabei. Es ist der Tag, an dem er und seine Frau Mathilde, genannt Quappi, Deutschland für immer verlassen.


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