Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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31. März 1848 Die Fox-Schwestern erfinden den Spiritismus

Es beginnt als eine kleine etwas schaurige Theateridee zweier kleiner Mädchen und wird bald eine spirituelle Bewegung. Die Einnahmen sprudeln, die Menschen wollen mehr von dem okkulten Zauber. Dass der nicht echt ist, nun, das behalten die Fox-Schwestern lange für sich. Autorin: Ulrike Rückert

Stand: 31.03.2023 | Archiv

31 März

Freitag, 31. März 2023

Autor(in): Ulrike Rückert

Sprecher(in): Irina Wanka

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Susi Weichselbaumer

Der Wunsch, mit dem Jenseits zu kommunizieren, ist wohl so alt wie die Menschheit. Aber die Welle des Spiritismus mit Séancen und Klopfgeistern, die im 19. Jahrhundert über Amerika und Europa schwappte, begann am Abend des 31. März 1848, als zwei Bauerntöchter im Staat New York ihrer Mutter eine Vorstellung gaben.

Maggie und Kate Fox, vierzehn und elf Jahre alt, hatten lange geübt, bis sie mit Finger- und Zehengelenken ohne sichtbare Bewegung knallende Geräusche erzeugen konnten. Die gespenstergläubige Mrs. Fox rief sogleich Nachbarn herbei, die auch die Morsezeichen aus der Geisterwelt erleben sollten. Am nächsten Abend kamen noch mehr Nachbarn. Am dritten Tag belagerten hunderte Neugierige das Haus. Die Neuigkeit zog weite Kreise. Zeitungen schrieben darüber. Maggie und Kate kamen nicht mehr raus aus der Sache.

Einfach mal weitermachen

Die ältere Schwester der beiden brachte sie in die nächste größere Stadt. Dort hielten sie bald täglich Séancen. Die Eintrittsgelder sprudelten. Ihre Schwester tourte mit ihnen durch den Staat. Eine neue religiöse Bewegung begann sich zu formieren.

1850 traten die Fox-Mädchen in New York City auf und gewannen Anhänger wie den Schriftsteller James Fenimore Cooper und den einflussreichen Zeitungsverleger Horace Greeley. In Cleveland, Cincinnati, Philadelphia und Washington füllten sie große Theater mit öffentlichen Vorführungen.

Die Geister sprechen, der Rubel rollt

Von Küste zu Küste entdeckten Zeitgenossen ihre Begabung als Medium. Die Konkurrenz brachte eine breite Diversifizierung des Angebots hervor: Tischerücken, schwebende Möbel, von Geisterhand gespielte Musikinstrumente und Materialisierungen toter Seelen gehörten bald zum Repertoire.

In jeder Kleinstadt bildeten sich Séancenzirkel, Verleger brachten Spezialzeitschriften auf den Markt. Prominente Geistliche bekannten sich zum Spiritismus, andere wüteten gegen das Hexenwerk. Die Gattin von Präsident Abraham Lincoln veranstaltete Séancen im Weißen Haus, wie jenseits des großen Teichs Queen Victoria im Buckingham-Palast. Die Botschaft der Fox-Schwestern hatte die Alte Welt längst erreicht, als sie selbst in den Siebzigerjahren nach England reisten.

Maggie und Kate Fox waren Kinder einer Ära, die von Industrialisierung, spektakulären technischen Erfindungen und naturwissenschaftlichen Entdeckungen geprägt war und dabei fasziniert von allem Übersinnlichen, von Hellseherei, Gedankenlesen und Gespenstern in alten Schlössern. Die Idee, sich direkt mit den Geistern der Toten unterhalten zu können, war unwiderstehlich für Millionen, die verstorbenen Angehörigen nah sein wollten, Beweise für ein Leben nach dem Tod suchten oder Ratschläge für Börsengeschäfte erhofften. Und eine gute Show waren Séancen obendrein.

Nach vierzig Jahren medialer Karriere brach Maggie zusammen und gestand öffentlich, dass alles nur Humbug war. Überzeugte Spiritisten beeindruckte das wenig, aber die Fox-Schwestern waren raus aus dem Geschäft. Da nützte auch Maggies Widerruf nichts mehr. Die beiden starben verarmt - der Spiritismus blühte.


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