Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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18. November 1777 Mademoiselle Montansier eröffnet ihr Theater in Versailles

Zunächst war es eine kleine Idee, ein Theater, ein eigens Haus. Doch ausgestattet mit besten Beziehungen und Sponsoren schuf Marguerite Montansier daraus ein Theater-Imperium. Auch die Französische Revolution konnte ihrem Geschäftsmodell nicht viel anhaben. Sie spielte weiter! Autorin: Ulrike Rückert

Stand: 18.11.2021 | Archiv

18 November

Donnerstag, 18. November 2021

Autor(in): Ulrike Rückert

Sprecher(in): Irina Wanka

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Susi Weichselbaumer

Draußen vor dem Theater drängelten sich Kutschen und Sänften. Frauen mit gepuderten Turmfrisuren und bezopfte Männer in bestickten Gehröcken strömten herein und schauten sich neugierig um. Alles weiß und hellblau und golden, sehr elegant! Der Saal für zwölfhundert Personen war brechend voll, als die royalen Ehrengäste eintrafen: Ludwig und Marie Antoinette persönlich! Das Orchester spielte eine Sinfonie, es folgte ein kleines Singspiel, eigens verfasst zur Feier des Tages, und dann als Höhepunkt eine beliebte Komödie. Die Eröffnung von Mademoiselle Montansiers neuem Theater in Versailles am 18. November 1777 war ein voller Erfolg.

Es prunkt und prachtet

Das pastellfarbene Prachtstück war das Kronjuwel in einem Theater-Imperium ohnegleichen. Marguerite Brunet alias Montansier, eine Handwerkerstochter aus Südfrankreich, hatte ihre Karriere als Ladenmädchen und Prostituierte in Paris begonnen und sich, mit einem Zwischenspiel in der karibischen Kolonie Martinique, in die Klasse der Luxuskurtisanen hinaufgearbeitet. Mit besten Beziehungen und der Finanzhilfe eines Liebhabers wechselte sie in die boomende Theaterbranche.

Das Publikum bekam nicht genug von Schauspielen und Opern, jede Provinzstadt wollte ein Theater. Für eine Stadt nach der andern verschaffte sich Mademoiselle Montansier das Monopolrecht für Aufführungen, bis ihr Netz ganz Nord- und Westfrankreich überspannte. Sie jonglierte mit einer Anzahl von Schauspieltruppen, die sie zwischen ihren Städten rotieren ließ – die Truppen spezialisierten sich auf ein Repertoire, das Publikum bekam bessere Qualität und mehr Abwechslung. Die Chefin war ständig unterwegs, in einer als rollendes Büro ausgerüsteten Kutsche.

Theater-Imperium

In Versailles hatte sie sich zunächst auch in einem gemieteten Saal etabliert und jahrelang um Genehmigung und Grundstück für ihr eigenes Theater gekämpft. Als Hausherrin und abgesichert mit dem vom König garantierten Monopol, profitierte "La Montansier" nun unangefochten von den Scharen von Aristokraten, Diplomaten und Touristen, die sich am und um den Hof herumtrieben. Sie selbst ging bei der theaterbegeisterten Marie Antoinette ein und aus.

Damit war es vorbei, als die Revolution ausbrach. Aber gerade hatte sie ein Theater mitten in Paris, im Palais Royal, gekauft. Hier blühte das Geschäft, und ihr privater Salon war eine Oase im Auge des Sturms, wo Abend für Abend Aristokraten und Revolutionäre jeder Couleur zusammentrafen. Sie baute sogar ein neues, riesiges Theater in Paris.

Kaum war es fertig, begann die Terrorherrschaft. Als Royalistin verdächtigt, wurde sie in den Kerker geworfen und ihr schönes neues Theater konfisziert. Immerhin behielt sie ihren Kopf und ihr altes Etablissement, doch das musste sie schließen, als Napoleon die Pariser Theaterszene säuberte. Da war sie siebenundsiebzig Jahre alt und noch lange nicht zum Aufgeben bereit. Sie setzte durch, dass sie weiter außerhalb ein neues bauen durfte. "La Montansier" was fast neunzig, als sie 1820 starb. Ihre Theater in Versailles, im Palais Royal und das letzte am Boulevard Montmartre gibt es immer noch.


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