Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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7. Dezember 1888 Der Luftreifen wird zum Patent angemeldet

John Boyd ein schottischer Tierarzt. Auch wenn schon jemand vor ihm das Ding erfunden hatte, sein Name ist untrennbar mit der Erfindung des luftgefüllten Reifens verbunden. Mit 47 bastelte Dunlop seinen ersten luftgefüllten Gummireifen, zunächst umwickelt mit Stoffstreifen aus einem Kleid seiner Frau. Autor: Hellmuth Nordwig

Stand: 07.12.2022 | Archiv

07 Dezember

Mittwoch, 07. Dezember 2022

Autor(in): Hellmuth Nordwig

Sprecher(in): Johannes Hitzelberger

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Frank Halbach

Wie das alles angefangen hat, Johnnie? Mir hat es einfach gereicht mit deinem Lärm! Wie soll man sich da auf seine Patienten konzentrieren? Auf Hunde mit Verstopfung oder Kanarienvögel, die nicht mehr singen wollen? Ich würde auch keinen Ton von mir geben, wenn ein gewisser kleiner Johnnie draußen ständig mit seinem Dreirad herumsaust. Das hatte damals ja noch Räder aus Hartgummi. Die klackern derart auf dem Kopfsteinpflaster, dass du meinst, du liegst selber beim Schmied auf dem Amboss.

Fahren auf Luft

Eines Abends habe ich mir das Ding dann vorgeknöpft. In meiner Praxis in Belfast hatte ich ja manchmal eine Gummischürze an, für den Fall, dass es beim Hund mit der Darmentleerung plötzlich doch klappt. Und meinem Gehör zu Liebe habe ich eben eine alte Schürze geopfert. Da hast du gestaunt, Johnnie, wie ich die in Streifen geschnitten habe, dann zu einem Schlauch zusammengeklebt und Stoff vom geblümten Kleid deiner Mutter darum gewickelt. Das hätte sie sowieso nicht mehr angezogen. Aufpumpen musste ich den Schlauch natürlich auch noch. Mit einem Babyschnuller als Ventil, den ich eigentlich zum Füttern von jungen Katzen verwendet habe, und zum Abdichten noch die Spitze von einer Stricknadel. So, Johnnie, schließlich haben wir das Ding auf eines der Räder geklebt und mit der Fußballpumpe Luft reingejagt. Du warst begeistert! "Ich fahre auf Luft!", hast du immer gejubelt. "Vom groben Pflaster spüre ich gar nichts mehr, und ich bin viel schneller als vorher!" Na ja, mir war erst mal am wichtigsten, dass dein Dreirad nur noch halb so laut ist.

Himmlische Ruhe

Die Idee habe ich ausgebaut. Als erstes natürlich für die beiden anderen Räder vom Dreirad solche Luftreifen gebastelt. Himmlische Ruhe! Zum Einwickeln habe ich später Segeltuch genommen, so viele Kleider hatte deine Mutter ja nicht. Noch ein paar Kleinigkeiten gab es zu verbessern, und dann habe ich die Erfindung zum Patent angemeldet. Am 7. Dezember 1888 war das. Vielleicht kauft sie mir ja einer ab, dachte ich mir. Für Radfahrer könnte sie zum Beispiel nützlich sein, die hatten damals ja auch noch Räder aus Hartgummi, so wie dein Dreirad. 50 Fahrräder mit Luftreifen habe ich probeweise herstellen lassen. Und was soll ich sagen, die sind weggegangen wie die warmen Scones. Der Belfast Cruiser's Cycle Club hat auch eines angeschafft. Und William Hume, der eigentlich eine Niete war, hat mit den Luftreifen plötzlich alle Rennen gewonnen!

Der Rest ist schnell erzählt. Der Vater von einem der Rennradfahrer lag mir ständig in den Ohren, wir sollten doch eine Fabrik gründen. Haben wir dann halt gemacht und sie nach unserer Familie "Dunlops pneumatische Reifen" genannt. Und dann kam irgendjemand darauf, dass ein gewisser Robert William Thomson schon 40 Jahre vor mir die Luftreifen patentiert hatte! War komplett vergessen worden, weil die auf den damaligen Buckelpisten sowieso nutzlos waren. Aber das Patent war natürlich weg. War aber egal, meine Reifen waren sowieso gefragt. Genau wie die vom französischen Konkurrenten Michelin, der sie als "Pneu" angeboten hat. Warum ich die Fabrik dann nach ein paar Jahren trotzdem verkauft habe? Habe ich richtig gemacht, finde ich. Bin ja schließlich Tierarzt, Johnnie! Meine Praxis ist inzwischen sogar die älteste in ganz Irland.


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