Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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14. Juli 1865 Ludwig Nohl kopiert Beethovens "Für Elise"

Dadadadadada daaaaa – Diesen Anfang kennt jeder. Zumindest jeder Klavierschüler. Beethovens „Für Elise“ ist das Einsteigerstück. Aber ist es überhaupt von Beethoven? Und was hat Ludwig Nohl damit zu tun? Autor: Xaver Frühbeis

Stand: 14.07.2020 | Archiv

14 Juli

Dienstag, 14. Juli 2020

Autor(in): Xaver Frühbeis

Sprecher(in): Ilse Neubauer

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Susi Weichselbaumer

Man möchte es ja kaum für möglich halten. Aber es hat doch die alte Frau Bredl tatsächlich dieses Notenblatt verschlampt. Ein originales Blatt aus dem Besitz von Ludwig van Beethoven, auf das er selber mit eigener Hand ein Musikstück geschrieben hat. Und zwar nicht irgendeins, sondern das berühmte "Für Elise". Man möchte meinen, sowas verschusselt man nicht, aber die Frau Bredl hat offenbar nur mal kurz nicht drauf aufgepasst, und seitdem ist das gute Stück verschwunden und niemals wiederaufgetaucht.

Elise gesucht!

Babett Bredl war eine Münchnerin. Eine ganz normale Frau, pensionierte Lehrerin. Wie kommt so jemand zu einem Notenblatt von Beethoven? Das ist schnell erklärt. Frau Bredl hatte einen unehelichen Sohn, der Vater: ein Wiener namens Schachner. Und dieser Sohn, Rudolph Schachner, hat sich, als er zwanzig war, in Wien mit einer um einiges älteren Dame angefreundet. Das war Therese von Droßdik, eine geborene Malfatti. Und die wiederum ist früher eine sehr gute Freundin von Beethoven gewesen. Die Dame hat Schachner ihre musikalischen Habseligkeiten vermacht, darunter auch das bewusste Notenblatt, das dann fünfzehn Jahre später in München der Musikprofessor Ludwig Nohl im Haus von Schachners Mutter gesehen hat.

Irrungen, Wirrungen

Nohl, als Spezialist für die Musik der Wiener Klassik, hat sofort erkannt, was er da vor sich hatte. Ein unbekanntes Klavierstück von Beethoven. Bredl hat ihm zwar nicht erlaubt, es mitzunehmen, aber abschreiben durfte er's. Das hat sie ihm sogar schriftlich bestätigt.

"Das vorstehende Klavierstückchen", schrieb sie, "habe ich Herrn Prof. Dr. Nohl nach Beethovens eigenhändigem Originalmanuscript copiren lassen und gestatte ihm jedwede Verwendung und Publicirung desselben. München, 14. July 1865. Babeth Bredl."

Nohl hat das Stück dann tatsächlich in einem Buch über Beethoven abgedruckt und die Geschichte dazu erzählt. Und dabei hat er auch die Widmung Beethovens angegeben. So wie er sie auf dem Notenblatt der Frau Bredl gelesen hat. "Für Elise - zur Erinnerung von Ludwig van Beethoven".

Und damit fingen die Probleme an. Wer war diese "Elise"? Das ist die essentielle Frage zu dem Stück, bis heute. Man findet unter Beethovens Frauenbekanntschaften keine "Elise". Hat der Herr Nohl vielleicht Beethovens Krakelhandschrift nicht richtig entziffern können, und über den Noten stand in Wirklichkeit: "Für Therese"? Dann könnte Beethoven damit seine gute Freundin Therese Malfatti gemeint haben, die spätere Liebhaberin von Bredls Sohn. Oder - andere Möglichkeit - wie wär's mit der Sängerin Elisabeth Röckel, die man zuweilen kurz "Elise" gerufen hat? Oder aber - hat der Herr Professor Nohl vielleicht gar die ganze Geschichte erfunden und das Stückchen selber komponiert?

Alles Theorien, die - einmal in die Welt gesetzt - kaum wirklich zu widerlegen sind, weil ja, wie gesagt, die gute Frau Bredl das Notenblatt, nachdem Nohl es abgeschrieben hat, irgendwo hingelegt und dann nicht mehr wiedergefunden hat. Irgendwo muss es noch sein. Vielleicht sogar: irgendwo ganz in Ihrer Nähe. Vielleicht hat ja damals ein entfernter Verwandter von Ihnen das Blatt aus der Wohnung der Frau Bredl versehentlich mitgehen lassen, und jetzt liegt es bei Ihnen zuhause, in irgendeinem verstaubten alten Koffer, im Keller oder auf dem Dachboden. Am besten, Sie gehen gleich mal hin und schauen nach…


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