Bayern 2 - Das Kalenderblatt


1

14. März 1973 "Lost Horizon", Musicalfilm wird zu einem der größten Flops

Was beim Kochen gilt, gilt auch beim Kinofilm: Gute Zutaten machen noch lange kein gutes Ergebnis. Erst Recht nicht, wenn es um Musicalfilme geht. Lost Horizon wird heute zu den 50 schlechtesten Hollywood-Musicals aller Zeiten gezählt. Trash vom Feinsten sozusagen. Autorin: Anja Mösing

Stand: 14.03.2023 | Archiv

14 März

Dienstag, 14. März 2023

Autor(in): Anja Mösing

Sprecher(in): Caroline Ebner

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Susi Weichselbaumer

Das Publikum unterschätzen? - Eher keine gute Idee!
Passiert aber selbst den ganz Ausgefuchsten.
Und treibt manchmal unfassbare Blüten.
Zum Beispiel im Filmgeschäft:
Der erfahrene Produzent Ross Hunter war sicher, er hätte den besten Musicalfilm der Welt gemacht. Hollywoods Werbe-Maschine lief auf Hochtouren. Zur Premiere in London war sogar die Queen eingeladen!
Und kam!

"Es ist ein Film der Hoffnung und des Glaubens mit spirituellen Qualitäten" versprach der Produzent, als Lost Horizon am 14. März 1973 in den USA anlief. Und er legte noch einen drauf:
"Wir alle brauchen das, angesichts des Drucks in der Welt ... Jeder ist auf der Suche nach einem Ort, an dem er Frieden und Sicherheit findet."

Gemacht für den Kassenerfolg

Gut, 1973, das war mitten im Vietnamkrieg. Überall demonstrierten junge Leute farbenfroh für Frieden, Liebe und Freiheit. Aber Musicals versprachen, ihr Publikum mit Leichtigkeit in eine Welt der Fantasie zu entführen: Mitreißende Musik, fesselnde Tanznummern, zauberhafte Kulissen.
Kunstvoller Eskapismus also.
Keine schlechte Idee, wenn man den richtigen Ton trifft! Ja, dann kann es sogar politisch sein. Das Filmmusical Cabaret mit Liza Minelli in der Hauptrolle hatte das geschafft und räumte gerade acht Oskars ab! Monatelang rauschte das Publikum in die Filmtheater, um diese rasante Produktion über das Berlin zu Beginn der Nazizeit zu sehen.

Es kann nur gut werden, oder?

Aber Du lieber Himmel!
Wo hatte der Produzent von Lost Horizon seinen Kopf gehabt?
Hatte er mit einem Schlag sein jahrzehntelang trainiertes Gespür fürs Filmgeschäft komplett verloren?
Nichts in seinem Film passte zusammen!
Da war Liv Ullmann, die gerade in Ingmar Bergmanns Filmen international als Charakterdarstellerin gefeiert wurde, und ruderte schwerfällig mit den Armen durch billige Kulissen. Der Tanz-Choreograf berühmter Fred Astaire-Filme entwickelte nichts, was dem anspruchsvollen Kernthema des Films entsprach: Zivilisationskritik.  

Denn die Lost Horizon Story von Autor James Hilton ist eigentlich gut und war seit ihrem Erscheinen 1933 ein Bestseller: Eine Handvoll amerikanischer Fluggäste muss in den schneebedeckten Bergen von Tibet notlanden, und wird von Mönchen gerettet und dann gastfreundlich im entlegenen Tal Shangri La aufgenommen. Geradezu ein mythischer Ort: Alle Menschen leben hier glücklich miteinander und altern extrem langsam. Als ein verliebtes junges Paar das paradiesische Tal trotzdem verlässt, altert die Frau noch während der Wanderung zur Greisin und stirbt im Schnee.

Aber ein schneebedecktes Tibet unterlegt mit poppiger Musik von Komponisten, deren Songs wie Raindrops Keep Fallin‘ On My Head auf allen Radiostationen rauf und runter liefen? Hits und Kulissen funktionierten nicht zusammen. Ein weißer Schauspieler, dem man die Augen mandelförmig zurecht geklebt hatte, in der Rolle des Lama? Das war abgeschmackt und nichts, was ein Kinopublikum 1973 noch sehen wollte.
Wer den Film heute auf Youtube anschaut, wird seine eigenen Augenbrauen hochreißen, wie schon Filmkritiker damals. Lost Horizon gilt als einer der 50 schlechtesten Hollywoodfilmen aller Zeiten. Zu Recht.


1