Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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12. Juli 1929 Knaus-Ogino veröffentlicht, Methode zur Empfängnisverhütung

Empfängnisverhütung und die Katholische Kirche: Das passt für viele so gut zusammen wie ein Fisch und ein Fahrrad. Nämlich gar nicht. Und doch entdecken Forscher im letzten Jahrhundert eine Methode zur Geburtenkontrolle, die sogar der Papst billigt. Problem bloß: Zuverlässig ist sie nicht. Autor: Sebastian Kirschner

Stand: 12.07.2022 | Archiv

12 Juli

Dienstag, 12. Juli 2022

Autor(in): Sebastian Kirschner

Sprecher(in): Irina Wanka

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Susi Weichselbaumer

"Ich habe mein Kleid ausgezogen ... und mein Innerstes wallte ihm entgegen": Klingt wie ein Satz aus einem billigen Groschenroman. Tatsächlich ist es eine Zeile aus dem Buch der Bücher: der Bibel. Wer sie zu lesen weiß, für den strotzt das Buch nur so vor Erotik. Doch mit dem Sex dazu hat die Kirche seit jeher ihre Probleme, erst recht mit Verhütung.

Dabei ist Lust ein wichtiges Thema in der Heiligen Schrift. Und nicht nur wegen des Kinderkriegens und für den Fortbestand der eigenen Sippe: "Komm mein Freund, lass uns aufs Feld hinaus gehen und unter Zyperblumen die Nacht verbringen, dass wir … sehen ob der Weinstock sprosst und seine Blüten aufgehen". Weinstock? Blüten aufgehen? Diese verliebte Frau im Hohelied der Liebe wird so deutlich, dass es bei diesen Bibelzeilen wohl nicht nur manchen prüden Theologen die Schamesröte ins Gesicht treibt.

Ach ja ...

Doch die Bibel ist nicht die Kirche. Und viele sehen bis heute den Papst und seine Untergebenen als Spaßbremsen, die ihren Schäfchen die Freuden im Bett nicht gönnen. Dabei stellt am 12. Juli 1929 ein österreichischer Mediziner auf dem Gynäkologen-Kongress in Leipzig eine Methode vor, die Papst Pius XII. letztlich sogar als legitime Verhütung genehmigt. Tun wir der Kirche also unrecht?

Oder nein?

Tatsache ist: Was im Jahr 1929 der Österreicher Hermann Knaus und etwa zeitgleich in Japan Kyusaku Ogino entdecken, gleicht einer Revolution:
Die beiden Gynäkologen hatten erkannt, dass der weibliche Zyklus einem bestimmten Rhythmus folgt. Dadurch können sie nun fruchtbare und unfruchtbare Tage bei der Frau bestimmen. Und das zu einer Zeit, in der Verhüten oft noch mit abenteuerlichen Mitteln abläuft, chemisch wie mechanisch. Oder bedeutet, einfach "aufzupassen". Ungewollte Schwangerschaften - an der Tagesordnung. Illegale Abtreibungen ebenso. Die Knaus-Ogino-Methode - ein Segen der sexuellen Selbstbestimmung. Vermeintlich.

Tatsache ist nämlich auch: Nicht umsonst kennt heute vermutlich kaum jemand noch die Kalendermethode von Knaus und Ogino. Denn letztlich hängt sie davon ab vorherzusagen, wann bei der Frau der Eisprung erfolgt. Genau wissen kann man das aber nur pauschal, denn Stress, Luftveränderung, Hormonumstellung etc. verschieben den Eisprung schon mal. Das macht Verhütung in etwa so zuverlässig, wie die Horoskope in Omas Illustrierten. Insofern wundert es nicht, dass die Knaus-Ogino-Methode zwar den Segen der Kirche hatte, aber stellenweise eben auch den Ruf als "Römisches Roulette".

Und doch haben Knaus und Ogino damit mehr für die sexuelle Selbstbestimmung getan, als sie vielleicht glauben würden. Denn deren Kalendermethode verdankt eine Unternehmerin ihren Erfolg. In ihrem Magazin Schrift X macht die Tochter einer Ärztin diese natürliche Form der Verhütung nach dem Zweiten Weltkrieg bei Frauen in Deutschland bekannt. Verkauft hat sich diese Schrift zwar nicht ganz so oft wie die Bibel. Aber einer gewissen Beate Uhse hat es gereicht, um damit das erste Seximperium der Welt aufzubauen.


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