Bayern 2 - Das Kalenderblatt


1

16. September 1856 Kairo - Alexandria: Erste Eisenbahn in Afrika wird eingeweiht

Reisen in Afrika waren einst vor allem aufwendig. Einfacher und schneller sollte es mit der Eisenbahn gehen. Doch wie baut man eine Trasse im Sand? Und womit soll man die Kessel befeuern? Autor: Xaver Frühbeis

Stand: 16.09.2020 | Archiv

16 September

Mittwoch, 16. September 2020

Autor(in): Xaver Frühbeis

Sprecher(in): Johannes Hitzelberger

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Susi Weichselbaumer

Es war von je her ziemlich abenteuerlich. Ankommen in Alexandria, Aussteigen aus dem Schiff. Abladen des Gepäcks und der Waren, Karawane finden, Wüstendurchquerung mit Kamelen, Sandstürmen und allem Drum und Dran, und dreihundert Kilometer später dann das Ganze wieder rückwärts. Dampfer finden, Passagierkabine buchen, Verstauen des Gepäcks und der Waren auf dem Schiff, Abfahrt durchs Rote Meer in Richtung Indischer Ozean.

Ziemlicher Aufwand, diese Reise…

Eins war Abbas I., dem Vizekönig von Ägypten, klar. Sollte sein Land jemals eine Rolle als modernes Transitland im internationalen Handel und Tourismus spielen, dann musste sich da was ändern. Und so holte sich Abbas den Experten für Eisenbahnfragen ins Land. Robert Stephenson, Sohn des britischen Eisenbahnpioniers George Stephenson, der einst mit der berühmten "Rocket"-Lokomotive den Sieg über seine Konkurrenten errungen hatte. Der Sohn beriet Eisenbahngesellschaften in ganz Europa beim Legen von Trassen, und nun war er zum ersten Mal in Nordafrika, mit einem neuen Auftrag in der Tasche. Ägyptens - und damit Afrikas - erster Eisenbahnstrecke, von Alexandria am Mittelmeer bis zur Hauptstadt Kairo, geplant war der Weiterbau Richtung Suez, am Roten Meer.

Einsteigen, bitte!

Im Juli 1851 wurde der Vertrag geschlossen. Stephenson konzipierte und leitete den Bau, ägyptische Firmen führten ihn aus. Ein Beobachter aus England meinte, es gehe da auch nicht anders zu als seinerzeit bei den Pyramiden. "Wenn Hände genug da sind, geht es voran. 24.000 Ägypter graben Schwellen in den Boden, verlegen Schienen und schlagen riesige Nägel hinein."

Drei Jahre später war ein erstes Teilstück fertig, nach weiteren zwei Jahren die gesamte Strecke. 210 Kilometer, von Alexandria über zwei Nilbrücken bis nach Kairo. Am 16. September 1856 war Eröffnung.

Die Verlängerung weiter nach Suez dauerte noch einmal zwei Jahre. Es war die erste moderne Verkehrsverbindung zwischen Mittelmeer und Rotem Meer, dreißig Jahre vor dem Suezkanal.

Allerdings gab es ein Problem. Eine Dampflokomotive muss ja befeuert werden. In Europa nahm man dafür Kohle oder Holz. Beides war in Ägypten Mangelware. Doch die Engländer wussten sich zu helfen. An allen Ecken und Enden lagen Mumien rum. Die waren mit Harz durchtränkt und brannten gut. Ein amerikanischer Reporter berichtete, klafterweise würden bei der ägyptischen Eisenbahn Mumien verfeuert, schon bei der Jungfernfahrt hätten sie ein ausgezeichnetes Feuer ergeben. Eine abenteuerliche These. Allerdings finden wir das auch bei keinem Geringeren als Mark Twain. In seinem Reisebericht "Die Arglosen im Ausland" erzählt auch er von Mumien im Feuerkessel.

Man kaufe die Mumien friedhofweise, um sie zu verheizen, schreibt Twain, die ägyptischen Lokführer würden auf die "elenden Bauernmumien" fluchen, weil sie nicht richtig brennen. Ein richtiger Pharao sei ihnen lieber, mit dem fahre die Lok schneller. Er verbürge sich nicht dafür, schreibt Twain, er gebe nur wieder, was man ihm erzählt habe. Und wer weiß: womöglich ist ja tatsächlich die ägyptische Eisenbahn der Grund dafür, dass all die wertvollen Mumien dort heutzutage so tief im Sand verbuddelt sind. Oben die Bauernmumien sind alle verheizt. Bloß damit man bequemer nach Suez kommen kann. Vielleicht ist das ja der wahre Fluch des Pharao. Dass es auf Erden keinen Fortschritt gibt - ohne einen Preis.


1