Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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23. August 1784 Shitstorm royal: Kaiser Joseph II. ordnet Sparbegräbnisse an

Schluss war’s erst Mal mit der schönen Leich in Wien, als Kaiser Joseph II. den mehrfach verwendbaren Sparsarg anordnete. Aber da hatte er die Rechnung ohne die Wiener gemacht

Von: Simon Demmelhuber

Stand: 23.08.2019 | Archiv

23 August

Freitag, 23. August 2019

Autor(in): Simon Demmelhuber

Sprecher(in): Caroline Ebner

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Frank Halbach

Der Mensch braucht eine Freude, und wenn's bloß der Tod ist. Das hätte der Kaiser wissen müssen. Aber nein, Joseph II. von Österreich will sein Volk erziehen. Modern muss alles werden. Eine Verordnung jagt die andere, jeden Tag lässt er sich neue Schikanen einfallen. In alles muss er dreinreden und dreinregieren, kein Winkel, in dem er nicht herumstiert und herumreformiert.

Sparen am (falschen) Ende

Vor allem die Geistlichkeit und das Frommsein hat der Kaiser am Wickel. Überall wittert er Aberglauben, Verschwendung, Schlendrian statt Fortschritt, Vernunft und Nutzen. Er stutzt die Feier- und Festtage, verbietet das Wallfahrten und Wetterläuten, vertreibt die heiligen Leiber, schafft Prozessionen und Andachten ab, schränkt das Abbrennen von Weihrauch, Kerzen und Wachsstöckeln ein. Und alles bloß, weil er einen Narren gefressen hat an der elenden Preußenwirtschaft, der aufgeklärten.

Gewiss, man schuldet der Obrigkeit jeden Gehorsam. Aber jetzt ist Matthäi am Letzten, zu viel ist zu viel. Mit seinem Erlass vom 23. August 1784 hat der Despot den Bogen überspannt. Künftig, so will es der knausrige Monarch, soll jeder Untertan die letzte Reise wie ein Bettelmann antreten: Um das Verwesen zu beschleunigen, um Holz, Stoffe und Kosten zu sparen, um Pomp und Gepränge zu unterbinden, sind fortan alle Toten nackt in einen Leinensack einzunähen und in einer wiederverwendbaren Holztruhe ans Grab zu schaffen. Ein Hebel öffnet die Bodenklappe des schmucklosen Mehrwegkastens, der Leichnam rumpelt in die Grube: Ratsch, rums, aus - schon ist der Sparsarg frei für neue Gäste.

Die Rettung der schönen Leich‘

Doch da hat der Reformer die Rechnung ohne seine Wiener gemacht. Kaum ist das Dekret verkündet, bockt und belfert das Volk. Vor allem der Adel und das bemittelte Bürgertum trotzen auf. Nackert im Sackerl, ohne Ansehen des Standes und Vermögens verscharrt wie ein Hund? Nicht um's Verrecken! Dass man die Fretter und Habenichtse zum Sparen zwingt, geht ja noch an.

Aber wenn einer ein Geld hat, und darf's nicht mehr zeigen, da hört die Gemütlichkeit auf! So ein Begräbnis muss schließlich für die Ewigkeit halten. Da müssen ein prunkvolles Geleit und prächtige Gewänder, da müssen Quasten, Litzen und Tressen her; Atlas, Brokat und Seide müssen schimmern und rauschen wie schwarze Engelsflügel. Vor allem aber braucht es den eigenen Sarg als letzten Triumph des Lebens.

Mit all der Herrlichkeit soll's nun vorbei sein? Da möcht' man am End' gar nicht mehr hinein in die Welt, wenn man so schäbig wieder hinaus muss. Aber wart, noch ist nicht aller Tage Abend. Die gottlose Einheitsentsorgung entfacht Widerstand auf breiter Front. Aufgebrachte Gemeinden und Pfarrer verweigern den allerhöchsten Befehl, Eingaben und Gesuche raunzen, Zorn schwillt an landauf, landab. Zuletzt merkt auch der Kaiser, was es geschlagen hat. Sichtlich angesäuert nimmt er den Zwang zu Sackbegräbnis und Klappsarg nach kurzer Zeit zurück: "Grabt's euch doch ein, wie ihr wollt. Mit oder ohne Truhe, ganz wie's beliebt. "Na oiso dann, geht doch! Die schöne Leich ist gerettet, der Tod bleibt, was er war: Ein echter Wiener halt, was sonst!


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