Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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4. September 1885 In New York eröffnet erstes Selbstbedienungsrestaurant

Zeit hatten die Börsianer der Wall Street schon im 19. Jahrhundert keine. Alles musste schnell gehen, auch das essen. Daher eröffnete mit dem "Exchange Buffet" in New York das erste Selbstbedienungsrestaurant. Autor: Martin Trauner

Stand: 04.09.2020 | Archiv

04 September

Freitag, 04. September 2020

Autor(in): Martin Trauner

Sprecher(in): Caroline Ebner

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Frank Halbach

Den Börsianern hängt ja oft der zweifelhafte Ruf einer gewissen "Selbstbedienungsmentalität" an. Was die natürlich brüsk von sich weisen. - Vielleicht ist es also eine Fügung des Weltgeistes, dass ausgerechnet gegenüber der "New York Stock Exchange", der New Yorker Börse, das erste Selbstbedienungsrestaurant der Welt entstand. Am 4. September 1885 öffnete das "Exchange Buffet" seine Pforten für hungrige Gäste.

Exchange Buffet

Die Kundschaft, die besteht ausschließlich aus Männern. Die arbeiten entweder an der New Yorker Börse oder in den Geldhäusern rund um die Wallstreet. Was natürlich bedeutet: "Mann" hat nicht viel Zeit für seinen Lunch. Zeit ist Geld. Da kommt das "E&B", wie das "Exchange Buffet" abgekürzt wird, gerade recht. Das "Self-service" - Restaurant besticht durch "good food and low prices". Und vor allem durch die  Zeitersparnis auf Grund von "Selbstbedienung".

Das Konzept des "E&B" ist so einfach wie revolutionär. Man verzichtet schlichtweg auf einen Kellner. Keine langwierigen Dialoge, was gibt es heute …, wie hat es geschmeckt… Nein, der gestresste Börsianer geht direkt zum Büffet: Das Essen steht auf langen Tischen bereit - und da wartet ein opulentes Angebot: Aus bis zu 25 Hauptgerichten kann der Gast auswählen. Danach geht man zu einem der Stehtische, und lässt sich sein Lunch schmecken. - Bevor es ans Bezahlen geht.

Ja, auch wie man in einem "E&B" seine Rechnung begleicht, das ist wirklich innovativ. Nachdem man sein Geschirr selbst abgeräumt hat, geht der Gast zum sogenannten "Call Boy" oder "Checker". Ihm sagt man, was man gegessen und getrunken hat, und der ruft lauthals den Preis Richtung Kassierer. - Dort wird bezahlt. All das geschieht auf Vertrauensbasis. Keiner fragt nach, ob man das Büffet eher mit einem "All-you-can-eat-Lokal" verwechselt haben könnte…

Eat ’em and beat ’em

Kein Wunder, dass im Laufe der Zeit aus den Anfangsbuchstaben des „Exchange Bufett“, aus dem "E" und dem "B", ein Slogan entstand: "Eat ’em and beat ’em". Was nichts anderes heißt wie: "Iss bei ihnen und schlag sie!" - Klingt wie ein Spruch aus dem harten Börsenalltag. Und deshalb mutmaßte ein Zeitgenosse schon bald, dass wohl die meisten nur ein Schinkenbrot und ein Tasse Kaffee, alles in allem 36 Cent, bezahlen wollten - obwohl sie sich doch ein komplettes Mittagsmenu einverleibt hätten.

Aber auch, wenn das "Exchange Bufett" den Börsenalltag imitierte - der "Checker" schrie im Sekundentakt die Preise durchs Lokal -  die Betreiber hatten auch ein wenig vorgesorgt. Statt der Kellner installierte man einen sogenannten "Spotter", eine Art "Börsenlokalaufsicht". Der achtete darauf, dass die Kundschaft nicht über die Stränge schlug. Und das tat sie wohl nicht all zu oft. Denn das Konzept des "Exchange Buffet" verbreitete sich in New York. Erst 1963 war Schluss mit "Eat ’em and beat ’em".

Erstaunlicherweise waren die Börsianer also jahrelang meist ehrliche Makler. -Zumindest beim Lunch.


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