Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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5. August 1789 Im Berliner Opernhaus wird zum ersten Mal auf Deutsch gesungen

Die Königliche Oper in Berlin, heute bekannt als "Staatsoper Unter den Linden" war ein Herzensprojekt von König Friedrich II. Später hieß der Theaterbau Preußische Staatsoper und Deutsche Staatsoper. Aber Gesang auf Deutsch – den mochte der Alte Fritz damals überhaupt nicht.

Stand: 05.08.2021 | Archiv

05 August

Donnerstag, 05. August 2021

Autor(in): Brigitte Kohn

Sprecher(in): Christian Baumann

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Frank Halbach

Der Preußenkönig Friedrich II., den die Nachwelt später den Großen nennen wird, hat nach seinem Regierungsantritt im Jahre 1740 sofort den Auftrag zur Errichtung eines Opernhauses erteilt. Den Plan hatte er bereits als Kronprinz gefasst, als er noch unter der Fuchtel seines sparsamen Vaters stand, dem die Kunst gleichgültig gewesen war. Friedrich aber war hochmusikalisch und ein leidenschaftlicher Flötenspieler. Außerdem sah er in der Kunst ein bedeutendes repräsentatives Machtinstrument. Die moderne Musik seiner Zeit, Haydn und Mozart zum Beispiel, interessierte ihn allerdings wenig, und deutsche Sangeskunst war ihm ein Gräuel, das brachte er deutlich zum Ausdruck.  "Lieber möchte ich mir von einem Pferde eine Arie vorwiehern lassen, als eine Deutsche in meiner Oper zur Primadonna zu haben!"

Italian Soundtrack

Also ließ er seine Agenten ausschwärmen, um die internationalen Stars der großen europäischen Bühnen nach Berlin zu locken. Die durften in seiner Oper Unter den Linden nur italienisch singen. Die italienische Oper lebte von prachtvollen Dekorationen, kostbaren farbenprächtigen Kostümen und virtuosen Gesangspartien. Die Handlung war nicht so wichtig. Manchmal schob man sogar Arien aus anderen Opern ein, ganz ohne inhaltlichen Zusammenhang, um die Ohren des geladenen Publikums mit möglichst viel süßem Belcanto zu verwöhnen. Denn die Diplomaten, Minister und die hohen Militärs waren nur vordergründig wegen des Bühnenspektakels hier, sondern hauptsächlich zum Strippen ziehen. In der Oper tauschte man Informationen aus und schmiedete Pläne und Allianzen, informell und daher besonders effizient, inspiriert durch das prachtvolle Ambiente und den passenden Soundtrack.

Nur einer war immer ganz bei der Sache, und das war Friedrich der Große selbst, der dicht beim Orchester saß. Wenn der berühmte Kastrat Porporino mit seiner glockenhellen Stimme singenderweise den Soldatentod starb, konnte es passieren, dass dem König die Tränen über die Wangen liefen, dass er aufsprang und mitdirigierte.  Wobei die wirklichen preußischen Soldaten in seinen Kasernen fern von jedem Belcanto einem erbarmungslosen Drill ausgesetzt waren.

Bürgerliches Deutsch

Zu Friedrichs Zeiten gewann aber auch das bürgerliche Nationaltheater immer mehr an Einfluss. Bühnen, die deutsche Stücke zur Aufführung brachten, waren beim bürgerlichen Publikum bald wesentlich beliebter als das feudale Opernhaus. Friedrichs Nachfolger, König Friedrich Wilhelm II., konnte und wollte den bürgerlichen Geschmack als kulturellen Machtfaktor nicht länger ignorieren. Am 5. August 1789, im Jahr der Französischen Revolution, wurde im Opernhaus Unter den Linden zum ersten Mal ein deutsches Oratorium aufgeführt, Hiob war der Titel, Carl Ditters von Dittersdorf der Komponist. Das Werk verströmte viel bürgerlich religiöse Empfindsamkeit und wies viele "skandalöse Koloraturen" im "opernhaften Stil" auf, wie ein Kritiker Tage später in einer Berliner Zeitung vermerkte.


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