Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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21. September 1962 Hollywood-Schauspielerin Bette Davis gibt Stellensuchanzeige auf

Jung und schön – oder raus aus dem Job. So halten es viele Hollywood-Bosse bei der Besetzung der weiblichen Rollen. Nicht mit mir, sagt Bette Davis – und gibt aus Protest eine Stellenanzeige aus. Autor: Xaver Frühbeis

Stand: 21.09.2018 | Archiv

21 September

Freitag, 21. September 2018

Autor(in): Xaver Frühbeis

Sprecher(in): Ilse Neubauer

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Susi Weichselbaumer

In der guten alten Zeit des Hollywood-Films hatten Schauspieler zwei eherne Regeln zu befolgen. Erstens: Bist du schwul oder lesbisch, dann erzähl's nicht rum. Die Leute wollen das nicht wissen. Und zweitens: Bist du eine Frau, dann sei gefälligst jung. Über vierzig wird die Sache nämlich schwierig. Die Leute wollen das nicht sehen. Wenn du eine Hollywood-Schauspielerin über vierzig bist, dann werden dir die Studiobosse vielleicht erlauben, nervöse, kettenrauchende, schlecht geschminkte Mütter in psychotischen Familien zu spielen. Aber Filme mit solchen Rollen gibt es nicht oft. Also wird dir als Frau über vierzig in Hollywood ziemlich schnell ziemlich langweilig werden. Und dagegen anzugehen, musst du wirklich Eier in der Hose haben. Und das - als Frau.

40 vor!

Am 21. September 1962 erschien in dem vielgelesenen amerikanischen Branchenblatt "Variety", in der Rubrik "Stellengesuche, weiblich", Unterrubrik "Künstler", eine Kleinanzeige: "Mutter von drei Kindern (10, 11 und 15 Jahre alt), geschieden, Amerikanerin, dreißig Jahre Erfahrung als Filmschauspielerin, immer noch beweglich, und freundlicher, als man es ihr nachsagt, sucht ständige Beschäftigung in Hollywood. Broadway‑Erfahrung vorhanden. Auf Wunsch Referenzen."

Alte Schachtel?!?!?!

Ein Foto der Beschäftigung suchenden Mutter war freundlicherweise auch mit abgedruckt. Und so konnte jeder sehen, dass diese Annonce nicht irgendjemand aufgegeben hatte, sondern die weltberühmte Hollywoodschauspielerin Bette Davis. Sie stand zwar bei ihrem Studio in Lohn und Brot, aber sie war faktisch arbeitslos. Sie hat mit dieser Annonce in aller Öffentlichkeit dagegen protestiert, dass die Studiobosse in Hollywood einer dreifachen fünfzigjährigen Mutter kaum mehr etwas zu tun geben wollten. Sie bekam keine Rolle mehr, selbst wenn sie Bette Davis hieß. So eine alte Schachtel, sagten die Bosse, wollen die Leute im Kino nicht sehen. Bette Davis jedoch fragte sich, woher die Bosse das bloß wissen wollten, wenn sie sie doch gar nicht arbeiten ließen ...

Davis war vierundfünfzig, als sie die Annonce aufgab, und ihre Karriere in einer Sackgasse. Aber streitbar war sie wie eh und je. Immer schon hatte sie mit den Studiobossen um bessere Rollen gekämpft und mit Regisseuren und Kollegen um mehr Leistung gestritten, und immer schon hatte sie gesagt und getan, was sie für richtig fand - grade dann, wenn ihre Freunde ihr davon abrieten. Auch von der Annonce hatte man ihr abgeraten. Sie hatte sie trotzdem aufgegeben, und alle waren fassungslos. Bette Davis hatte die Regel Nummer 3 in Hollywood gebrochen: Geht es dir schlecht, dann zeig' das auf keinen Fall den anderen. Kollegen und Freunde hatten Angst um sie, man fand, sie habe sich unmöglich gemacht, ohne dabei zu bedenken, dass es für eine Frau wie Bette Davis gar nicht möglich war, sich unmöglich zu machen.

Die Sache mit der Annonce war noch in aller Munde, da hatte die dreifache Mutter schon Gelegenheit zu zeigen, dass die Studiobosse keine Ahnung hatten. Die Thriller-Komödie "What Ever Happened To Baby Jane?" kam in die Kinos, Davis spielt darin einen gescheiterten Kinderstar, eine verbiesterte alte Schachtel, die ihre Schwester quält. Zum Erstaunen aller wollten die Leute das sehen, der Film war ein großer Erfolg, und mit der Karriere von Bette Davis ging es wieder aufwärts. Und gearbeitet, gedreht und gekämpft hat sie bis ins hohe Alter.


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